Das älteste Totenregister für Owen – der erste Eintrag stammt vom 29. November 1621 aus der Hand von Pfarrer Mauitius Bidenbach (1601-1624) – verzeichnet 103 Tote für 1634 und 544 für 1635. Im November und Dezember klingt die Seuche ab und endet, doch deutet die Notiz „Fortasse non sunt denotati defuncti omnes“ an, dass nicht alle Toten aufgeschrieben wurden. Auch starben nicht alle an der Pest; der Diakon M. Daumüller notiert in seinem 1789 angelegten „Verzeichnis, wieviel Personen in jedem Jahr seit 1622 biß 1664 gestorben“ für die Jahre 1634 und 1635 „Fame, bello et peste“ (am Hunger, am Krieg und an der Pest).(1a) Im gleichen Zeitraum starben an der Pest in Unterlenningen 10 Menschen (1634) und 107 (1635)(1b). Das Heimatbuch der Gemeinde Dettingen unter Teck – die Angaben beruhen auf Abschriften und Notizen aus den am 20. April 1945 im Kirchturm und im Rathaus verbrannten Archivalien – nennt für 1635 377 Pesttote; in den Jahren davor sind es von 1610 bis 1612 insgesamt 220, 1597 und 1598 zusammen 474 und 120 im Jahr 1574. Der Owener Ortshistoriker Rudolf Locher übernimmt die bisher genanntenten Jahreszahlen in seinem Büchlein „Das Alte Owen“, fügt die Jahre 1572 und 1542 hinzu, ohne jedoch (mit Ausnahme von 1635 wohl in Anlehnung an Rooschüz) die Anzahl der Pesttoten zu nennen.(1c). Ein Beleg für ein Pestjahr 1542 in Owen will sich weder im Stadtarchiv Owen noch beim Landesarchiv Baden-Württemberg finden lassen. Das sog. Pestbild scheint der alleinige Nachweis zu sein und man kommt nicht umhin zu vermuten, dass ein Pestjahr 1542 allein durch das Vorhandensein des Bildes in die Überlieferung Eingang gefunden hat.(1d)
Ein Perspektivwechsel, so radikal wie der von Eduard Friedrich Hochstetter (1823-1902), Pfarrer in Owen von 1879 bis 1887, und eine kritische Herangehensweise und Betrachtung des Bildes scheinen geboten. Wurde dieses Bild tatsächlich zum Gedenken an die Pestjahre und insbesondere an das Jahr 1542 gemalt? Welche Krankheitsbilder werden präsentiert? Die gezeigten sind weit von den in der Kunst überlieferten Darstellungen der Pest entfernt. Welche Bedeutung hat das als „Das Säubad“ bezeichnete Einsprengsel in der linken oberen Ecke des Bildes, das die eigentlich ausgewogene Komposition ins Ungleichgewicht bringt? Und nicht zuletzt: Bis in das 19. Jahrhundert gingen die Meinungen über dieses Bild in eine ganz andere, romantische und auf die Burg Teck „wie sie einmal war“ fixierte verklärende Richtung.
Hochstetter kannte seine Kirche gut und schrieb 1891 in seinem Beitrag „Die Teck und Owen“ für die Blätter des Schwäbischen Albvereins, dass in der Kirche zu Owen zwei Bilder der einstigen Burg Teck hingen und dass das eine das Original aller Bilder der Burg Teck, von Sattler bis auf die neuste Zeit, sei. Das andere dieser Bilder sei auf eine kleine längliche viereckige Holztafel gemalt und wäre schon vor 100 Jahren als wertloses Bild der Teck bezeichnet worden. Aber das Blatt habe sich gewendet: „Das wertlose Bild der Holztafel ist zu Ehren gekommen und das Originalbild aller Teckbilder ist zum wertlosen Machwerk herabgesunken.“(2)
Alfred Klemm (1840-1897), Theologe und Heimatforscher, setzt in seinem Aufsatz „Das vermeintliche Bild der der Burg Teck“ verschärft den Akzent: „Seit Jahrzehnten findet man überall, wo die Burg Teck in Frage kommt und Illustrationen beigegeben sind, ein und dasselbe Bild als Ansicht derselben in ihrem einstigen Zustand wiedergegeben: auf einem steil ansteigenden, bewaldeten, oben mit Felsen gekrönten Berge eine Befestigungsanlage mit Mauern, Zinnen, Thürmen und Thoren, auch einigen Gebäuden. […] Kein Zweifel kann darüber bestehen, daß diese sämtlichen Abbildungen auf Ein Urbild zurückgehen, nämlich auf ein in der Marienkirche der Stadt Owen u. T. hängendes Gemälde“. Und weiter wie Hochstetter: „Die auf obigem Gemälde sichtbare Befestigung ist nicht, wie vermeint, das Bild der alten Burg Teck, sondern eine Abbildung der Stadt Owen aus dem Jahre 1542.“(3)
Im 20. Jh. bemühte sich der Kunsthistoriker Adolf Schahl (1908-1982) um eine das ganze Bild fassende Sichtweise. Er wies auf die möglicherweise religiöse Aussage des Bildes hin: „Das sog. Pestbild, ein angebliches Gedenkbild an die Pest von 1542, auch als Darstellung des Säubads bekannt, ist in Wahrheit eine Allegorie auf das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus und könnte aus einem Spital stammen. […] Im Hintergrund sieht man das Stadbild von Owen. […] Das im zweiten Viertel des 15. Jahrh. gemalte Bild wurde 1675 und 1893 übermalt. Ein 1806 von Modist C.E.G. Kuhn, Urach, auf Leinwand gemaltes Ölbid der „Burg Teck“ verwendet das Stadtbild von Owen auf dem sog. Pestbild als Burgansicht.“(4)
Die Tafel, auf welche das Bild in Ölfarbe gemalt ist, ist aus drei Holzbrettchen zusammengesetzt. Das eigentliche Bild auf dem mittleren Brettchen ist durch eine bräunliche Firnis stark verdunkelt, wodurch Einzelheiten nur schwer erkennbar sind. Es ist mit einem schwarzen Konturrahmen, der nur bei der Bildunterschrift kräftig hervortritt, von der übrigen ockergelben Umgebung abgesetzt. Über dem Bild in feiner Fraktur links „Das Säubad“ und rechts „Kranke, welche in das Bad kom[m]en.“, darunter mittig „Owen / im Pest-Jahr 1542“ und rechts unten „Erneuert 1893“.
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Eine reich gewandete Dame und ein Opferstock bilden das figürliche Zentrum des Bildes. Die Dame trägt über dem knöchellangen Kleid eine in einer Schleppe auslaufende Schaube und als Kopfbedeckung eine Kalotte und ein Barett.(5) Ihre Kleidung weist sie als dem Bürgerstand oder dem Patriziat zugehörig aus. Rechts neben ihr steht ein übergroßer, mit Eisenbeschlägen und einem Schloss gesicherter Opferstock, oben mit einem kleinen, zylinderförmigen Aufsatz für den Münzeinwurf. Der Opferstock hebt sich durch seine helle Farbe deutlich vom sonst dunklen Hintergrund ab. Zwischen der Dame und dem Opferstock verschließt ein kleines, rechteckiges Holzplättchen eine Öffnnung, deren Zweck nicht ersichtlich ist. Die Dame, die einem von links herankommenden Invaliden ein Almosen reicht, und der Opferstock versinnbildlichen allegorisch das in der Bildunterschrift angesprochene Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus im Lukasevangeliums (16, 19-31). Die das Almosen austeilende Dame ist das Gegenbild zum reichen Mann aus dem Gleichnis und verkörpert die Mahnung an Wohlhabende, eine Spende für die Armen in den Opferstock einzulegen, auf dass es ihnen nicht so ergehe wie dem reichen Mann in der Hölle. Die drei Invaliden im Bild erzählen eine eigene Geschichte. Alle drei sind für ihre Fortbewegung auf Achselkrücken angewiesen. Der bereits erwähnte Almosenempfänger im linken Bilddrittel trägt am rechten Bein eine unterhalb des Knies fixierte Kniekrücke, der Unterschenkel steht rechtwinklig nach hinten ab. Er stützt sich auf zwei deutlich erkennbare Krücken. Auf der rechten Seite des Bildes nähern sich zwei „Kranke, welche in das Bad kom(m)en“. Einer hebt grüßend den rechten Arm, in der Achsel ist das Querholz der Krücke erkennbar. In der Linken trägt er einen bauchigen Henkelkrug mit sich. Die beiden Krücken des vor ihm Knienden liegen auf dem Boden, mit vorgestreckten Armen präsentiert er eine Spende, die nicht näher identifiziert werden kann. Auffallend ist, dass er mit beiden Unterschenkeln auf Trippen kniet, weil ihm die Füße fehlen.(6) Die drei Figuren zeigen drei unterschiedliche Phasen der gleichen Erkrankung, einer Parese der Unterschenkel. Eine Parese ist eine unvollständige Lähmung oder Muskelschwäche, die zu einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit führt. Wie im Fall der im Bild dargestellten Erkrankten, können sie sich noch mit Hilfe von Krücken und Prothesen fortbewegen, obwohl die Muskelkraft in den Unterschenkeln deutlich reduziert ist.(7) Ziel der drei Kranken ist, wie die Texte vermitteln sollen, das Säubad, wo sie sich Linderung, vielleicht sogar Heilung von ihren Beschwerden erhoffen. Pieter Breugel d.Ä. (vermutlich 1525 geboren, nachweislich 1569 gestorben) malt auf seinem 1568 entstandenen Gemälde „Die Krüppel“ eine Ansammlung von Invaliden, die sich in einer düsteren Ecke zusammendrängen. Er zeigt mit erstaunlicher Präzision die orthopädischen Hilfsmittel seiner Zeit: Krücken mit Armstützen und die unterschiedlichsten Arten von Krücken für Fußamputierte. 1957 legt der Medizinstudent Tony-Michel Torrilhon an der medizinischen Fakultät der Sorbonne, Paris, eine Dissertation vor, in welcher er mit medizinischem Scharfblick aus den abgebildeten Läsionen Diagnosen ableitet. Torrilhon führt den Verlust der Füße auf die sogenanntn »Buergerschen Krankheit« zurück. Bruegels fußamputierter Krüppel, so lautet seine Diagnose, leiden an »thrombangiitis obliterans«, einer Entzündung der Blutgefäße, die zum partiellen oder vollständigen Absterben der Gliedmaßen führt und eine Amputation nach sich zieht.(8) Das Säubad, zu dem die drei Kranken kommen, ist symbolisch an einem See mit einem luxuriösen Ruhebett, auf welchem sich ein Badegast von den Strapazen des Bades erholt, in der linken oberen Ecke abgebildet. Darunter geht ein Vierter aus dem Bild, in der Linken drei kolbenähnliche Gegenstände; was sie bedeuten ist unklar. Ob er auf dem Weg ins Säubad ist oder dieses nach einer erfolgreichen Behandlung verlässt, muss offen bleiben. Ebenfalls offen bleiben muss, ob die Abbildung des Säubads schon bei der Entstehung des Tafelbildes zur Bildkomposition gehörte oder erst im Zuge der Renovierung von 1675 ins Bild kam. Auch während der verheerenden Pest- und Seuchenjahre des 16. Jahrhunderts war das Säubad in Betrieb.(9a) |
Abb. 1: Die Bildunterschrift lautet: Vatter Abraham sende Lazarum das er nur das außwendigest thail in daß waßer tauche, vnd // labe meine zunge, dan Ich wirdt Sehr peiniget in disem flammen. Lucæam. 16. a(nn)o 1542. // Ren: 1675.
Die dritte Zeile sehr klein und kaum lesbar. ➤ Bild vergrößern Abb. 2: Die Rückseite des Bildes zeigt, dass die scheinbar aus einem Stück bestehende Tafel in Wirklichkeit aus drei Brettchen besteht. Das mittlere Brettchen, der Träger des Bildes, ist zweimal gebrochen und wurde mit zwei aufgeplatteten Holzspangen gesichert. Die Spangen, das obere und untere Brettchen wie auch der Verschluss der Öffnung in der Mitte sind von einem anderen Holz als das mittlere Brettchen, welches zudem älter zu sein scheint.
➤ Bild vergrößern Abb. 3: Die Krüppel, Pieter Bruegel der Ältere, 1568. Öl auf Holz, 21,5 x 18,5 cm. Louvre, Paris.
➤ Bild vergrößern Abb. 4: Zwei Armenkastenrechnungen, Begleichung der Kosten für Säubadaufenthalte von Bedürftigen.
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Betrachtet man aber wie Klemm das Säubad unter dem Aspekt der Wohltätigkeit, „dürfte kaum eine andere Deutung zu finden sein, als daß hier die heilkräftigen Wirkungen des 1468 entdeckten und bald viel besuchten „Säubads“, das eine Viertelstunde nordwestlich von Owen lag, versinnbildlicht sein sollen, an solchen, die elend und opferbereit herbeikommen, wie an solchen, die geheilt von dannen gehen, und daß zugleich die Tafel bestimmt gewesen sein wird“, Wohlhabende zu einer Spende für arme Besucher des Bades zu ermuntern.(9b)
Die „Befestigungsanlage“ vor dem „runden Berg“ in der oberen Hälfte des Bildes ist eine idealisierte und perspektivisch verschobene Darstellung von Owen und zeigt die westliche und südliche Seite der Stadt. Im „runden Berg“ ist der Hohebol zu sehen. Drei Türme prägen die Abbildung: Der Turm links steht auf der nordwestlichen Ecke der Stadtbefestigung, der zinnengekrönte mittlere Turm ist im heutigen „Törle am Törlesrain“ erhalten; von ihm führte der Weg zur Unteren Brücke. Von diesem geht die Stadtmauer zunächst gerade, dann in gebrochener Linie schräg aufwärts zum dritten Turm am ehemaligen Oberen Tor, der 1837 abgebrochen wurde. Das um 1816 abgebrochene ehemalige Kirchheimer Tor auf der Nordseite der Stadt ragt mit Fahne und Oberstock zwischen dem linken und mittleren Turm über die Stadtmauer. Diese erscheint teilweise gezinnt und sichtlich gedoppelt einen Zwinger bildend, „der die ganze Stadt umzog und dessen Dasein auf dem Gemälde durch die Verschiedenheit der Zeichnung bei der oberen und bei der unteren Mauer angedeutet ist“.(10)
Es lassen sich auf dem Bild sogar einzelne Gebäude nachweisen, welche 1542 noch standen: „Rechts von dem Mittelturm schaut der Turm der einstigen Peterskirche, welche jetzt ein Wohnhaus mit Scheune ist, heraus. Neben diesem Turme der Peterskirche steht das ehemalige Teck´sche Schlößchen und neben diesem das Haus der Familie Spät von Sulzburg. Beide kamen in den Besitz der Familie Schilling von Cannstatt. Jetzt steht auf dem Platze das Rathaus.“(11) Hier, an der südwestlichen Ecke der Stadtbefestigung, sind Zwinger und Stadtmauer noch vollständig erhalten, die südliche und westliche Fassade des Rathauses bauen sich auf der Stadtmauer auf.
II. Maße, Infrarotreflektografie und Ungereimtheiten
Zur Eröffnung des Geschichtshauses am 19. November 2011 wurde das Bild umfangreich restauriert, neu gerahmt und ein Gutachten(12) erstellt; die Abmessungen des Bildes und des Rahmens wurden nicht aufgenommen. 2025 wurden die Abmessungen von Bild und Bilderrahmen mit einem normalen Zollstock und kleinen Kartonagenstücken für die Ermittlung der Falztiefe neu erhoben. Für den schwarzen Holzrahmen ergeben sich die Außenmaße 675 x 510 mm, für das Bildmaß 560 x 400 mm. Das Rahmenholz ist 30 mm dick, hinten abgefast und hat am Innenrand eine gefräste Kontur in gealtertem Gelb. Die aus drei Brettchen gebildete Tafel steckt in einem rundum laufenden 10 mm tiefen Falz. Die unterschiedliche Farbigkeit des Holzes für das obere und das untere Brettchen sowie für die aufgeplatteten Sicherungsleisten für das mittlere Brettchen und den Verschluss der Öffnung in der Mitte sprechen für eine spätere Ergänzung.
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Das mittlere Brettchen ist aufgrund seiner dunkleren Färbung das ältere, die Fraßgänge der Holzwürmer greifen nicht auf die jüngeren Brettchen über und die rückseitige Abfasung des Brettchens legt die Fraßgänge frei. Holzwürmer haben jedoch das Bestreben nach einem ganzseitigen Umschluss, sie würden nicht ungeschützt entlang der Holzoberfläche fressen. Aus dem unterschiedlichen Oxidationsgrad der Hölzer und den fehlenden Fraßgängen im oberen und unteren Brettchen ergibt sich, dass die Abfasung und die Anstückung des oberen und des unteren Brettchens im Rahmen einer Restaurierung in jüngerer Zeit vorgenommen wurde. Die drei Brettchen haben eine einheitliche Länge von 580 mm bei einer Einstecktiefe von 10 mm in den Falz. Das obere und das untere Brettchen sind jeweils 78 mm breit, das mittlere 264 mm, was in der Summe 420 mm einschl. der Einstecktiefe von jeweils 10 mm in den oberen und unteren Falz ergibt. Für das eigentliche Gemälde wurden 530 mm x 264 mm gemessen; links und rechts ein gelber Rand von jeweils 15 mm zzgl. 10 mm für die Einstecktiefe in den linken und rechten Falz. Im Rahmen der maltechnischen Untersuchung wurde Infrarotreflektografie eingesetzt. Mit infrarotem Licht ist es möglich, durch Bildschichten hindurchzudringen, also gewissermaßen hinter die Kulisse von Firnis und obere Malschicht zu schauen. Auf den Infrarotaufnahmen zeigen sich bei allen Gegenständen und Figuren keine kompositorischen Vorzeichnungen, lediglich die kontrastierenden schwarzen Außenlinien werden deutlicher sichtbar als bei normaler Betrachtung. Auch zeigt sich, dass der oben erwähnte Konturrahmen das ganze Bild umgibt. Für die Bildunterschrift lässt sich nachweisen, dass der Text in Gänze neu aufgemalt wurde; die ursprüngliche Buchstabenfolge lässt sich jedoch nicht entziffern und ist möglicherweise auch nur noch fragmentarisch vorhanden. Dafür treten Retuschen, die am Text vorgenommen wurden, deutlich hervor. Insgesamt werden in den Infrarotaufnahemen die Schäden in der Malerei sichtibar. Beispielsweise ist das Gesicht der linken, auf Krücken gestützten Figur nur noch zur Hälfte vorhanden, im Kleid der Dame gibt es Fehlstellen. Schichtentrennungen, d.h. lose Partien der Malschicht zeigen sich auf Grund ihres unterschiedlichen Reflektionsverhaltens hell refektierend. Die Malschicht wurde daher im Zuge kleinerer restauratorischer Eingriffe wieder fachgerecht mit dem Bildträger verklebt. Rote Farbreste im rechten Randbereich des Gemäldes lassen vermuten, dass das Gemälde wie im Mittelalter üblich rot umrandet war. Weitere Farbreste links und rechts auf dem mittleren Holzbrettchen, die im Rahmen verborgen sind, weisen darauf hin, dass unter der gelben Farbschicht Farben eines anderen Bildformats liegen. Insgesamt kann das ursprüngliche Bildformat nicht bestimmt werden. Keine Ungereimtheit sind die Deutungen zweier malerischer Details – sie sind dem dunklen Firnis geschuldet. Auf dem mittleren Turm wollen die Betrachter das alt Wappen von Owen mit der querliegenden Hirschstange und dem „O“ darunter erkennen. Die Infrarotfotografie zeigt die Hirschstange deutlich, darunter aber wie in einem Seestern zusammenlaufende Striche. Klemm merkt dazu an: „Ein von einiger Entfernung das Stadtbild aufnehmender Maler mochte richtig handeln, wenn er das von seinem Standort nocht näher erkennbare „O“ nur mit einigen Strichen andeutete.“ Und als Anmerkung dazu: „Es mag auch sein, daß nur der Renovator von 1675 das verblaßte“O“ nicht mehr richtig hergestellt hat.“ Sowie zum Oberen Tor: „In diesem Turm befand sich das Ortsgefängnis, und es stimmt dazu ganz, daß auf unserem Gemälde das Fenster über dem Thor rechts vergittert erscheint.“(13) |
Abb. 5: Rückseite des aus dem Rahmen gelösten Bildes und Schauseite mit grafischer Darstellung der Messergebnisse.
➤ Bilder vergrößern Abb. 6: Ausschnitt aus der Fußzeile. <
➤ Bild vergrößern Abb. 7: Infrarotfotografie des Bildes.
➤ Bild vergrößern Abb. 8: Bildausschnitt rechte Seite der Stadt: links der Torturm am „Törle“, rechts das 1837 abgebrochene Obere Tor und die Spethschen Häuser. Die Infrarotfotografie macht sichtbar, dass das Wappen von Owen eine unvollständige Pinselei ist und das Fenstergitter am Gefängnisturm ein Fallgatter.
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Ungereimtheiten die Maße betreffend: Pfarrer Hochstetter berichtet 1891 (a.a.O., S. 71), dass in der Owener Marienkirche die Stadt Owen auf einer kleinen länglich viereckigen Holztafel gemalt sei: „Es kann kein Zweifel sein, daß die Holztafel das Bild der befestigten Stadt Owen im Jahre 1542 darstellt.“ Der Heimatforscher Klemm (a.a.O., S. 84) schreibt im gleichen Jahr, dass in der Marienkirche „eine rahmenlose Holztafel 30 cm hoch und 60 cm breit“ hinge, die nicht das Bild der alten Burg Teck, sondern die Stadt Owen im Jahr 1542 zeige. Der heutige Zustand des Bildes mit Rahmen und Anstückelung von Brettchen ist also ein Ergebnis der Erneuerung von 1893. Bei dieser Gelegenheit dürften auch die Kappungen am mittleren Brettchen (dem Bildträger) und die Übermalung der Ränder links und rechts entstanden sein.
Spekulative Ungereimtheiten: Es mag richtig sein, dass die in der rechten Hälfte der Stadt abgebildeten Gebäude das ehemalige Teckische Schloss und neben diesem das Haus der Familie Speth von Sulzburg sind. Das Herzogsschloss wird 1480 an die Witwe des Dietrich Speth von Sulzburg verkauft. „Einem dieser zwei Spethschen Häuser mag die adelige Frau zuzuweisen sein, die wir auf dem Gemälde gefunden haben, und wir hätten dann am ehsten an die Anna Speth von Sulzburg zu denken, welche ums Jahr 1542 mit Ulrich Schilling von Cannstatt vermählt war, und nach dessen Tod 1552 den Kirchheimr Obervogt Hans von Remchingen heiratete und selbst 1586 starb.“(14)
Diese schöne Wunschvorstellung erschwert die Datierung des Bildes bis zur Unmöglichkeit. Von Hochstetter findet sich in einer dem Verfasser dieses Beitrags vorliegenden handschriftlichen Notiz aus den Jahren zwischen 1884 und 1890 die Feststellung, dass die Obere Kelter, weil sie nicht auf dem Bild sei, erst nach 1595 gebaut wurde. Denn erst im Jahr 1595 sei die erste allgemeine Herbst und Kelterordnung erschienen. Hier irrt Hochstetter, denn eine Herbst- und Kelterordnung ist nicht der Bauauftrag für eine Kelter, sondern regelt den Beginn der Weinlese sowie den Betrieb von Keltern und ist damit eine Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Weinbau. Darüber hinaus regelt sie auch die Einziehung des Weinzehnten. Die in Stuttgart erlassene Herbstordnung von 1595 war eine frühe Regelung im Weinbau, die jedoch schon 1845 nicht mehr auffindbar war, wie im Band 16 der Sammlung der württembergischen Finanzgesetze festgestellt wird. Sie ging der Herbstordnung vom 10. Juli 1607 voraus und hatte selbst wiederum einen Vorläufer, ein Konzept von 1545.(15)
Die Obere Kelter wird erstmals 1485 als Herrschaftskelter erwähnt. Einem dendrochronologischen Gutachten zufolge wurde sie 1456 +/- 10 Jahre aus Eiche abgezimmert.(16) Wo nach Hochstetter und Klemm „der Turm der einstigen Peterskirche“ herauschaut, müsste im sonst der Realität recht nahe kommenden Panorama der Stadt die Obere Kelter erscheinen. Weil sie aber fehlt, müsste die Entstehungszeit für das Bild um die Mitte des 15. Jahrhunderts oder davor angesetzt werden. Womit wiederum die Datierung des Kunsthistorikers Schahl wahrscheinlich würde. Um die Verwirrung voll zu machen, weisen die Merkmale der Mode auf die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hin.
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III. Das sog. Pestbild von 1542 – historischer Kontext und Überlieferung
Warum und wann die Stadt Owen im sog. Pestbild von 1542 zur Burg Teck mutierte, bleibt wohl für alle Zeit ein Geheimnis. Eine der frühesten Abbildungen der Stadt auf dem Berg ist eine 1752 entstandene Tuschezeichnung von Johann Heinrich Kretschmer (1723-1790), die als Vorlage für den Stich in Christian Friedrich Sattlers „Historische Beschreibung des Herzogthums Würtemberg“ diente. Die Zeichnung ist nahezu vollständig detailgetreu, es fehlt lediglich das Fallgatter am rechten Turm, der mittlere Turm erscheint überhöht und neben kleineren Abweichungen in der Abfolge und Zahl der Fenster wehen alle Fähnchen auf den Türmen – anders als im Original – realitätsgerecht in einem südwestlichen Wind.(17) Um 1767 fertigte Michael Christoph Burk (1716-1790), Stadtpfarrer in Owen von 1759 bis zu seinem Tod, eine ebenfalls nahezu detailgetreue Abzeichnung der Stadt auf dem Berg in schwarz und grau von einem Bild auf Leinwand an und kommentiert: Dieses Teckische Gemäld auf Tuch, mit einer schwarzen Rame eingefaßt, hangt von alten Zeiten her in der Kirche zu Owen, unter dem Schwibbogen rechter Hand, wovon auch Sattler in seiner Beschreibung des Herzogthums Würtemberg eine Copiam stechen lassen […] Conf. dessen fig. 17. ante p. 71. P. 2. Zur vom Heimatforscher Klemm erwähnten „rahmenlose Holztafel 30 cm hoch und 60 cm breit“ (siehe oben) merkt er an: Ein ander (hölzern) Täfelein de A. 1542. so oberhalb dem Opfer-Stock an einer steinernen Saul angeschlossen, stellet, ob es gleich sehr schlecht gemahlt ist, doch die Teck auf die nemliche Weise vor.(18) Kretschmers Entwurf von 1752 und Burks Zeichnung von 1767 erscheinen nahezu deckungsgleich und stützen damit Klemms Bemerkung, dass sämtliche Abbildungen der Burg Teck auf ein Urbild zurückgingen. Burks Kommentar zum „Teckischen Gemäld“ und dem hölzernen Täfelein von 1542 bestätigen wiederum den Kunsthistoriker Schahl: Das anonyme Ölgemälde, welches 1806 „von C.E.G. Kuhn, Modist zu Urach“ renoviert wurde, „verwendet das Stadtbild von Owen auf dem sog. Pestbild als Burgansicht“. Die Vehemenz, mit der seit Sattler bis in das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in der kleinen Holztafel von 1542 die Burg Teck gesehen werden wollte, erstaunt uns heute. Friedrich August Seyffer (1774-1845), Kupferstecher, Zeichner und Maler, zeichnete um 1810 die Stadt nach dem Holztäfelchen von 1542 in der Ebene ab, notierte aber dazu: Schloss Tek, nach einem schlechten alten Gemälde in der Kirche zu Owen.(19) Die Übereinstimmung der Bleistiftzeichnung mit dem sog. Pestbild vor allem in den Mauerzügen der rechten Seite der Stadt zeigt, dass mit dem „schlechten alten Gemälde“ die kleine Holztafel und nicht das Ölgemälde gemeint ist. Dagegen folgt der um 1820 entstandene Kupferstich unverkennbar der gleichen Vorlage wie Sattlers Prospect des uralten Schloßes Teck und Burks Abzeichnung, nämlich dem Ölbild eines anonymen Malers (s. unten). Dieses wird ikonisch und stilbildend für alle später entstehenden Abbildungen der vermeintlichen Burg Teck.(20) Um 1826 zeichnete Ludwig Kolb (1806-1875) das Stadtpanorama von der Holztafel ab und schreibt darunter: Teck nach dem Gemälde / von 1542 / ren. 1675 / in der Kirche zu Owen. Für die zweite Zeichnung auf demselben Blatt nimmt er das Ölbild auf Tuch als Vorlage und notiert darunter: Ebenso in der Kirche zu Owen. / ren. 1806 durch Kuhn / unter Pfarrer Seibold.(21) Und noch 1890 zeichnet Pfarrer Hochstetter das Holztäfelein und das Gemälde in Öl ab, kopiert die Bildunterschriften und vermerkt für das Holztäfelein „das ältere Bild, auf Holz“ und für das Ölbild „das spätere Bild, auf Leinwand“. In der mit „Zwei Bilder in der Kirche zu Owen“ überschriebenen eingehenden Betrachtung schreibt er, dass „das ältere Bild auf der Holztafel nicht die Teck vorstellt, sondern die Stadt Owen zur Zeit ihrer Befestigung“ und dass „das Leinwandbild, das 1806 revoviert wurde, dem ersten nachgebildet ist. Es kann also auch kein Bild der Teck sein, sondern es ist nichts andres, als das befestige Owen auf einem Berge.“(22) 1891 brechen Hochstetter und Klemm schließlich endgültig mit der einseitigen Fokussierung auf die Teck. Das Ölbild auf Tuch von einem anonymen Maler wird zum Ursprung der Bildlegende der „falschen Teck“. Es wurde wohl in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf Tuch gemalt und 1752 zur Vorlage für den Prospect des uralten Schloßes TECK bey Kirchheim 1752. Der Rahmen des Bildes misst 600 x 512 mm bei einer Stärke von ca. 30 mm für das Rahmenholz. Das Tuch, auf welches das Bild gemalt wurde, ist auf eine Pressspahnplatte aufgezogen; diese misst 522 x 401 mm bei einer Stärke von 13 mm. Die Platte ist mit schräg eingeschlagenen Nägeln im Rahmen fixiert.(23) Geht man davon aus, dass Hochstetters Zeichnung eine getreue Kopie des Ölbildes im Zustand nach der Renovierung durch den Modisten Carl Ernst Gottfried Kuhn (1738-1821)(24) ist, ergibt sich Folgendes: Vor der Renovierung durch Kuhn 1806 zeigen die Tuschezeichnung Kretschmers und Burks Abzeichnung des Bildes das Panorama der Stadt Owen gedrungender als auf der Holztafel und versetzt auf einen Berg. Der mittlere Torturm ist überhöht, was die Wirkung einer burgähnlichen Anlage verstärkt. Die Fahnen auf den Türmen stehen ralitätsgerecht in gleicher Richtung im Wind. Klemm schreibt dazu treffend: „Beide [Zeichnungen] zeigen, daß vor 1806 das Bild von der Teck sogar vollständig dem von 1542 gleich gewesen ist (abgesehen von der Lage auf dem Berg). Denn beide zeigen auch das Stadtwappen und die abgeschrägte Mauerseite.“(25) Nach der Renovierung durch Kuhn beschreibt Klemm den Zustand des Bildes 1891 so: „Es ist […] ersichtlich, daß ein altes Original beschnitten und dann auf eine größere Leinwand aufgelegt worden ist, so daß oben und unten die Hand Kuhns alles nach vorhandenen Resten des alten neu gemacht, dass mittlere Hauptbild aber durch Uebermalen in Uebereinstimmung damit gebracht haben muß. Es fallen z. B. die Spitzen der Türme teilweise in den neuen Streifen oben.“ |
Abb. 9: Christian Friedrich Sattlers Prospect des uralten Schloßes TECK bey Kirchheim 1752 und Kretschmers Entwurf mit Notizen zur Drucklegung.
➤ Bilder vergrößern Abb. 10: Michael Christoph Burk, Abzeichnung des Teckischen Gemäldes auf Tuch um 1767.
➤ Bild vergrößern Abb. 11: August Seyffer, Schloss Teck, um 1810 und erneut gezeichnet 10 Jahre später. Ludwig Kolb bringt um 1826 die Holztafel von 1542 und das Ölbild auf einem Blatt zusammen.
➤ Bilder vergrößern Die Abbildungen Nr. 9 und 10 folgen der Vorlage des Ölbilds auf Tuch; das Stadtpanorama von Owen wirkt gedrungen, der Burgcharakter dadurch betont. Dagegen ist Abbildung 11 nach der Holztafel von 1542 gezeichnet und gibt das breit hingelagerte Panorame der Stadt wieder. In den Zeichnungen Seyffers und Kolbs verfestigt sich die von Kretschmer und Sattler begründete Tradition, im schlechten alten Gemälde in der Kirche zu Owen (Seyffer) unbedingt das „uralte Schloß Teck bei Kirchheim“ sehen zu wollen.
Abb. 12: Das sog. Pestbild von 1542 in einer Abzeichnung von Hochstetter 1890.
➤ Bild vergrößern Abb. 13: ‚Die Teckh‘, Ölbild, unbekannter Maler (Aufnahme 2010, Ausschnitt) und Hochstetters Abzeichnung von 1890.
Der Vergleich von Hochstetters Zeichnung mit dem heutigen materiellen Bestand des Ölbildes zeigt einen deutlichen Verlust in der Substanz: die Türme erscheinen flächiger und ohne die schmückenden Fahnen, die Fenster sind verloren und allein der mittlere Turm behält das Tor. Unterschiede in den Bildunterschriften zeigen zudem, dass es nach 1890 mindestens eine weitere Überarbeitung des Bildes gab. ➤ Bilder vergrößern |
So verlieren die beiden Ecktürme ihre Fenster- und Toröffnungen, der mittlere Turm verliert
Kopfbild: Ausschnitt aus dem sog. Pestbild von Owen. Eigentümerin des Pestbildes ist die Kirchengemeinde Owen. Es hängt als Dauerleihgabe in der Ausstellung im Geschichtshaus und unterliegt dem urheberrechtlichen Schutz nach ➤ CC Creativ Commons.
Abkürzungen: EABW: Evangelisches Archiv Baden und Württemberg/Württemberg; HSTAS: Landesarchiv Baden-Württemberg/Hauptstaatsarchiv Stuttgart; Schefold: Max Schefold, Alte Ansichten aus Württemberg, Stuttgart 1957, Katalogteil; WLB: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek mit den Abteilungen Handschriftenabteilung und Graphische Sammlungen.
↑ (1a-d)a) EABW, Dekanat Kirchheim unter Teck, Owen unter Teck, Totenregister 1621-1664 Band 17, Blatt 31b und 57a. – Moser, Rudolph Friedrich von: Beschreibung des Oberamts Kirchheim, Stuttgart und Tübingen 1842, S. 248: „Damals und schon 1610 herrschte die Pest, welche vom Jan. 1635 bis 10. Juni 1635 hier 725 Einwohner hinwegraffte.“ – Rooschüz, Paul: Owen. Seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten. Stuttgart 1884, S. 27: „plerique peste“ (die meisten von ihnen an der Pest). b) EABW, Dekanat Kirchheim unter Teck, Unterlenningen, Mischbuch 1612-1730 Band 1 (Taufregister, Totenregister und Eheregister). c) Schüle, Albert: Heimatbuch der Gemeinde Dettingen unter Teck, hg. von der Gemeinde Dettingen unter Teck 1981, S. 97-101. – Locher, Rudolf: Das Alte Owen, hg. vom Bürgermeisteramt Owen, o.J. [1977], S. 75-78. d) Crusius, Martin: Martin Crusii, Weyland Hochberühmten Professoris der Griechisch- und Lateinischen Sprache, so dann der Wohlredenheit bey der Universität zu Tübingen Schwäbische Chronick. Hg. von Johann Jacob Moser, Frankfurt am Main, 1733, Bd. 2, S. 255: Crusius bericht, dass die Philosophische Fakultät von Tübingen wegen der Pest nach Hirsau floh.
↑ (2)Hochstetter, Eduard Friedrich: Die Teck und Owen, in: Blätter des Schwäbischen Albvereins, 1891, Band 3, Heft 6, S. 71.
↑ (3)Klemm, Alfred: Das vermeintliche Bild der Burg Teck, in: Literarische Beilage des Staats-Anzeigers für Württemberg 1891, Nr. 6-7, S. 84-87; S. 84.
↑ (4)Heimatbuch des Kreises Nürtingen, Bd. 2 (1953), S. 1022. Die Datierung in das 2. Viertel des 15. Jahrhunderts ist sachlich zu bezweifeln, denn das Säubad wurde erst im 3. Drittel (1468) entdeckt. Nach Ausweis der Bildunterschrift wurde das Bild von Kuhn nicht gemalt, sondern renoviert.
↑ (5)Schaube: ein weiter, oft glockiger, vorn offener, ungegürter Mantel, der in einer Schleppe ausläuft; Kalotte (frz. calotte ‚Käppchen‘): bezeichnet eine halbkugelförmige Kopfbedeckung verschiedener Ausformungen seit dem 13. Jahrhundert. Wikipedia: Kleidermode der Renaissance.
↑ (6)Kniekrücke auch Freihandkrücke: orthopädisches Hilfsmittel, macht das Gehen ohne Krücken bei z.B. einseitiger Knöchelverletzung möglich; Trippen: Unterschuhe aus Holz zur Niveauerhöhung, um die kostbaren, innengenähten Schuhe aus Leder zu schonen. Der Kranke hat eine extra lange Version vor die Schienbeine geschnallt; er geht damit auf den Knien, wobei ihm die Trippen helfen, das Gleichgewicht zu wahren.
↑ (7)Die Ursache ist meist die Schädigung des motorischen Nervs, der die Bewegung in einem Muskel einleitet, was zu einer teilweisen bis vollständigen Lähmung und in der Folge Rückbildung (= Hypotrophie bzw. Atrophie) des Muskels führt. Es kommen verschiedene Erkrankungen, Infekte, mechanische Schädigungen und Vergiftungen als Auslöser in Frage.
↑ (8)Pieter Bruegel d.Ä. und Pieter Bruegel d.Ä., Die Krüppel; Torrilhon: Tony-Michel Torrilhon: La pathologie chez Bruegel. Thèses pour le doctorat en médecine. Faculté de Médecine de Paris, 1957; Buergersche Krankheit, Thrombangiitis obliterans oder Endangiitiis obliterans: Die schubweise verlaufende Krankheit befällt vor allem die kleinen und mittelgroßen Arterien und Venen der Extremitäten. An der Hautoberfläche kann es zu blutenden Nekrosen kommen, wie sie auf den Oberschenkeln des rechts knienden Invaliden und am Schienbein des Almosenempfängers erkennbar sind. Amputationen sind im gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte dokumentiert; für das 16. Jh. steht beispielhaft das 1517 erschienene Feldbuch der Wundarznei des Hans von Gersdorff.
↑ (9ab)a)Das Säubad bestand auch nach dem schlimmen Pestjahr 1635; 1638 kam der Krieg mit den Schweden ins Tal, sie hausten vom 4. März bis zum 10. Juni besonders furchtbar, wie Stadtpfarrer Körner notierte (EABW, Blatt 41b). Am 18. April wurden der letzte Besitzer des Säubads, als „Sewbäder beck bon vissingen“ notiert, und mit ihm noch andere ermordet. Eine spätere Hand notierte am Rand: von den Schweden, sollen den trunck [= den sog. Schwedentrunk, durch Eingießen von Mistjauche] bekommen haben. (EABW, Blatt 42a). – Rooschüz (1884), S. 27 f. und 150-153. b) Klemm (1891) S. 84.
↑ (10)Klemm (1891) S. 85 f.. – Auf der Seite „Abbruch des Kirchheimer Tors“ zeigt das Kopfbild das „Stättl Owen“ in der Kieserschen Forstkarte zum Amt Kirchheim und auf der Seite „Abbruch des Oberen Tors“ die Ansicht von Owen im Kieserschen Forstlagerbuch von 1687. [Menü Aus der Stadtgeschicht/Stadtgeschichte II – Neuzeit]
↑ (11)Hochstetter (1891) S. 71. Zum angeblich sichtbaren Turm der Peterskirche äußert sich Klemm (1891) S. 86 verhaltener: „Rechts vom mittleren Turm sieht hinten ein kleiner hervor; es wird der der Peterskirche sein, die bis zum Bau der großen Marienkirche 1380 die eigentliche Stadtkirche war, jetzt noch als Wohnhaus vorhanden ist und bei einer Ansicht der alten Stadt von ihrer südwestlichen Ecke her an der fraglichen Stelle erscheinen mußte.“
↑ (12)Gutachten zur Restaurierung eines Holztafelgemäldes vom 24. August 2011, brieflich mitgeteilt von Niclas Hein, Restaurator (Dipl.-Rest.), Stuttgart. Alle Aussagen zur maltechnischen Untersuchung und zur Infrarotreflektografie folgen strikt dem Gutachten.
↑ (13)Klemm (1891) S. 86. – Die perspektivische Verzerrung der Gebäudegruppe zwischen den beiden Türmen macht deutlich, dass Details aus dem Gemälde mit Zurückhaltung gedeutet werden sollten.
↑ (14)Klemm (1891) S. 86 f..
↑ (15)Sammlung der württembergischen Gesetze. Herausgegeben von A. L. Reyscher, 16. Band, Tübingen 1845 [Digitalisat, Bayerische Staatsbilbiothek München, J.germ. 160 mc-16,1]. Der Herausgeber merkt S. 97, Anm. 27 an, dass er die Herbstordnung, auf welche diejenige vom 10. Juli 1607 (S. 211-224) durch ihren Untertitel Newe Reformirte Herpst-Ordnung verweist, suchte, jedoch nicht finden konnte. – Eine Herbstordnung von 1545 Herbst Ordnung anno domini xv xLv befindet sich beim HSTAS, A 469 II Bü 119 [Digialisat, Bild 19-21].
↑ (16)HSTAS, H 101/31 Bd. 1, Register über Stadt und Amt Kirchheim, Winnenden und Nürtingen, fol. 24r: Item die kelter zu Owen hat siben Bom ist auch mins gnedigen hern [Digitalisat, Bild 25]. – Dendrochronologisches Gutachten vom 17.04.1990, in Auftrag gegeben von Fritz Nuffer (verst.), und an diesen mitgeteilt am 20.06.1990. Stadtarchiv Owen, OA 297.
↑ (17)WLB, Graphische Sammlungen, Schef.qt.9111. – Schefold, Nr. 9111. – Christian Friedrich Sattlers Historische Beschreibung Des Herzogthums Würtemberg, Stuttgart und Eßlingen 1752, Fig. 17. Sattler (1705-1785) bearbeitete als Historiker die Landesgeschichte Württembergs.
↑ (18)WLB, Handschriftenabteilung, Cod.hist.fol.280, Bl. 4r. Auf dem Mappendeckel „Geschichts- und Kunstdenkmäler der Kirchen zu Owen und Weilheim teils nachgebildet teils beschrieben von M. Michael Christoph Burk, Stadtpfarrer in Owen. 1767.“ Burk war seit 1759 Pfarrer in Owen, die nicht datierte Abzeichnung entstand demnach zwischen 1759 und 1767.
↑ (19)WLB, Graphische Sammlungen, Schef.qt.9118. – Schefold, Nr. 9118 = Nr. 9114-18, e) „Die vermeintliche Ansicht von „Schloß Tek, nach einem schlechten alten Gemälde in der Kirche von Owen.“ – Friedrich August Seyffer besuchte die Hohe Karlsschule, danach das Stuttgarter Kupferstecherei-Institut, das auf Initiative Herzog Carl Eugens eingerichtet worden war. Im Jahr 1822 wurde er Inspektor des königlichen Kupferstichkabinetts; zeitweise lehrte er auch Kupferstecherei in Stuttgart. Ob Seyffer die Zeichnung Burks und dessen Urteil über die Holztafel mit dem Stadtpanorama von Owen kannte lässt sich nicht sagen.
↑ (20)Der Stuttgarter Lithograph Jakob Heinrich Renz (1799-1868) setzte die unzerstörte Burg Teck in ein Bauernkriegsszenario und ließ einen Bauernhaufen zur Burg marschieren; vgl. Schefold, Nr. 9124: „Schloß Teck im Jahr 1525 – Bei Maler Renz in Stuttgart. Mit Staffage des Bauernkrieges, die Burg nach Kretschmer.“ sowie WLB, Graphische Sammlungen, Schef.qt.9124. – In Dr. W. Zimmermann´s Großer Deutscher Bauernkrieg. Herausgegeben von Wilhelm Blos. Illustriert von Victor Schivert und V.E. Lau. Stuttgart 1891, S. 515, steht die Burg im Vollbrand, der Bauernhaufe befindet sich auf dem Rückmarsch. Die Abbildung zeigt historisch falsch den noch unzerstörten Hohenstaufen (zerstört am 2. Mai 1525) im Hintergrund. – Auch die Tageszeitung Teckbote verwendete im 19. Jh. das „ehemalige Schloss Teck“ in seinem Seitenkopf als Logo.
↑ (21)WLB, Graphische Sammlungen, Schef.qt.9125a. – Die untere der beiden auf dem Blatt vorhandenen Zeichnungen; a) [oben] Panorama der Stadt Owen auf der Holztafel von 1542, b) [unten] die auf einen Berg gehobene Stadt Owen als Burg Teck auf dem 1806 renovierten Ölbild.
↑ (22)WLB, Graphische Sammlungen, Sign. Mappe.Owen. Auf dem Mappendeckel „Zwei Bilder in der Kirche zu Owen, 1890“.
↑ (23)Die Spanplatte, auch Pressspanplatte genannt, wurde in den frühen 1930er-Jahren vom deutschen Erfinder Max Himmelheber erfunden, um Holzreste wie Späne, Äste und Sägemehl zu nutzen und damit den Verwertungsgrad von Bäumen zu steigern.
↑ (24)Röhm, Walter: Carl Ernst Gottfried Kuhn (1738-1821). Deutscher Schulmeister und Modist. Sein Leben und seine Zeit. Beiträge zur Bad Uracher Stadtgeschichte 6 (2019). Herausgegeben von Thomas Braun. – Ein „Modist“ ist ein Schulmeister [i.e. Lehrer ab und Leiter einer Schule] mit besonderen Fertigkeiten im Schönschreiben und Rechnen. (S. 17) – Kuhn war auch ein begabter Zeichner und malte selbst, weshalb er nicht selten von den Behörden gebeten wurde, gegen Honorar „besondere Situationen, wie beispielsweise Überschwemmungen, im Bild festzuhalten“. (S. 38) – Dass Kuhn 1806 im Auftrag des Owener Pfarrers Seibold das Bild der vermeintlichen Teck renoviert hat, wird nicht erwähnt.
↑ (25)Klemm (1891), S. 87.













