Maientag. Die Städte Owen, Nürtingen, Göppingen und Vaihingen an der Enz stellen gemeinsam den Antrag, ihre traditionellen Kinderfeste in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.
Von Andreas Volz 01.11.2023
Owen könnte schon bald mit der Klosteranlage Maulbronn oder mit der Klosterinsel Reichenau gleichziehen – aber nicht wegen der klösterlichen Kontemplation, sondern wegen der Bedeutung fürs Weltkulturerbe. Im Gegensatz zu den beiden Klosterorten in Baden-Württemberg geht es in Owen aber nicht um eine Weltkulturstätte, sondern ums „Immaterielle Kulturerbe“: Gemeinsam mit den Städten Nürtingen, Göppingen und Vaihingen an der Enz will sich die Stadt Owen um die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes bewerben. Alle vier Städte eint die jahrhundertalte Tradition des „Maientags“.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung schreiben die vier Städte von wichtigen Kriterien, die zu erfüllen sind: „Dazu gehören unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit sowie die kreative Weitergabe und Weiterentwicklung der Kulturform durch die Trägergemeinschaften.“ Die Lebendigkeit ist in jedem Fall nachweisbar. Jedes Jahr aufs Neue wird der jahrhundertehalten Tradition des Maientags gehuldigt, in Form einer Neuauflage des Schul und Kinderfests, das meist schon fürs 17. Jahrhundert nachgewiesen ist und das oftmals sogar bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht.
In Owen – und nicht nur dort – geht es an diesem „Nationalfeiertag“ höchst lebendig zu, und zwar den ganzen Tag. Das Fest beginnt vor Sonnenaufgang mit diversen Ständchen der Stadtkapelle, und es endet weit nach Sonnenuntergang, wenn ganz Owen den Festplatz verlässt und wieder heimwärts zieht. Besonders wichtig für die Tradition ist der Maienwasen als Schauplatz. Nur bei ungünstigen Wetteraussichten wird auf die Teckhalle zurückgegriffen. Aber mag die Teckhalle noch so große logistische und sanitäre Vorteile haben – der ganze Zauber eines Maientags-Nachmittags und -Abends erschließt sich eben doch erst auf dem Maienwasen, weit vor den einstigen Toren der Stadt.
Der Maientag stiftet Identität
„Mit der Tradition der Maientags-Feierlichkeiten wird seit Jahrhunderten der gesellschaftliche Zusammenhalt gefördert, Identität gestiftet, und es werden Menschen zusammengebracht“, heißt es in der Begründung der vier Städte für ihren Antrag auf Aufnahme ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes. Auf Owen trifft das voll und ganz zu: Die ganze Stadt ist auf den Beinen, und das nicht nur an dem einen Tag. Die Vorbereitungen beschäftigen die Owener, in
erster Linie in und an der Schule, über Wochen und Monate hinweg. Und „auf den Beinen“ sind wirklich alle, die noch irgendwie zu Fuß gehen können, sei es bei den Ständchen, beim Bändertanz, bei der Ansprache der Bürgermeisterin auf dem Rathausplatz, beim Gang zur Kirche, beim gemeinsamen Umzug zum Festplatz oder dort – nach den Vorführungen der Schulkinder – bei den vielfältigsten Angeboten kulinarischer oder spielerischer Art.
Dass die Kinder beschenkt werden, ist nach wie vor Bestandteil der Maientage in allen vier Städten. Außer in Owen werden zu diesem Zweck auch in Nürtingen Maientags-Brezeln verteilt. Dass der Maientag nichts mit dem gleichnamigen Monat zu tun hat, wird in der Pressemitteilung ebenfalls erwähnt: Der Begriff „leitet sich ab von den sogenannten ,Maien‘, grünen Zweigen oder Rutenbüscheln, die traditionell bei den Umzügen mitgeführt wurden“, heißt es.
Was nicht erwähnt ist: Mit diesen Zweigen hatte es eine besondere Bewandtnis, und es handelte sich dabei nicht um Geschenke für die Kinder, im Gegenteil. Ruten waren ein Instrument der Pädagogik. Von den „sieben freien Künsten“ des Mittelalters wurde die Grammatik immer mit dem Symbol der Rute versehen. Das bedeutet, dass die lateinische Grammatik den Schülern einstmals „eingebleut“, also eingeprügelt wurde. Diese Zeiten sind vorbei, seit die Rute durch den Rohrstock ersetzt wurde. Und auch der Rohrstock findet sich heute nur noch im Museum. Das Prügeln soll also kein Bestandteil des immateriellen
Kulturerbes werden.
Quelle: Der Teckbote, Ausgabe vom 2. November 2023, wortgetreue Textabschrift.
17. April 2024 Die Stadt Owen teilt mit – Maientagstradition hat den nächsten Schritt zum Immateriellen Kulturerbe genommen: Eintrag ins nationale Verzeichnis für das Kulturerbe.
Gemeinsam mit Nürtingen, Göppingen und Vaihingen an der Enz haben wir uns mit dem Brauchtum des Maientags um die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des „Immateriellen Kulturerbes“ beworben. Im Herbst haben wir den gemeinsamen Antrag beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg in enger Zusammenarbeit mit dem Alt-Owen Förderkreis e.V. eingereicht. Kürzlich haben wir die positive Nachricht erhalten, dass die Landesjury die gemeinsame Bewerbung positiv bewertet und an die Kultusministerkonferenz weitergeleitet hat. Damit haben wir die erste Hürde genommen. Dabei wurde anerkannt, dass alle vier Maientage, die zwar in sich einzigartig sind, aber dennoch verbindende Elemente haben, ein hinreichend belegtes Alter und eine herausragende kulturgeschichtliche Bedeutung haben sowie über eine Regionaltypik verfügen. Der positive Bescheid bestätigt auch das ehrenamtliche Engagement, das nicht darauf ausgerichtet ist, einen Gewinn zu erzielen. Im nächsten Schritt fasst die Kultusministerkonferenz nun die Vorschläge aller Bundesländer zusammen und übermittelt diese an das Fachkomitee der UNESCO-Kommission. Sie trifft eine Auswahlempfehlung für den Eintrag in das nationale Verzeichnis für das Immaterielle Kulturerbe. Die endgültige Entscheidung wird von der Kultusministerkonferenz und der Beauftragten für Kultur und Medien voraussichtlich im März 2025 getroffen. Owen Wirtschafts- und Tourismusförderung
13. April 2024 Vom Teckboten Kurz notiert.
Der Maientag hat die erste Hürde auf dem Weg zum Eintrag in das nationale Verzeichnis für das immaterielle Kulturerbe genommen. Wie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mitteilt, hat eine unabhängige Landesjury die gemeinsame Bewerbung der Städte Nürtinen, Göppingen, Owen und Vaihingen an der Endz, das Brauchtum des Maientags in das nationale Verzeichnis für das Immaterielle Kulturerbe eintragen zu lassen, positiv bewertet und wird diese an die Kultusministerkonferenz weiterleiten. Die Landesjury hat anerkannt, dass die unterschiedlich ausgestalteten Maientags-Bräuche der vier Bewerberstädte über ein hinreichend belegtes Alter, eine herausragende kulturgeschichtliche Bedeutung und eine Regionaltypik verfügen und bestätigt mit dem positiven Bescheid auch das ehrenamtliche Engagement, welches nicht darauf ausgerichtet ist, einen Gewinn zu erzielen. Die Kultusministerkonferenz fasst nun die Vorschläge aller Länder zusammen und übermittelt sie an das Expertenkomitee der Deutschen UNESCO-Kommission, die diese Empfehlungen überprüfen und eine Auswahl treffen wird. Die endgültige Entscheidung fällt im Frühjahr 2045. pm