Abbruch des Oberen Tors

Abbruch des Oberen Tors

Das Obere Tor wurde im Jahr 1837 abgebrochen. Dem ging eine Vorgeschichte voraus, die sich in den Gemeinderatsprotokollen (Band OB 26) als ein Hin- und Her widerstreitender Interessen darstellt.

15. April 1834: Erste Überlegungen zum Abbruch

Der Gemeinderat entschied sich jedoch gegen den Abbruch, weil sich im Oberen Tor das Gefängnis befand und dieses hätte dann ja neu gebaut werden müssen. Die dafür aufzuwendenden Kosten wurden aber als zu hoch erachtet, so dass der Beschluss gefasst wurde, auf den Abbruch zu verzichten (OB 26, fol. 38r).

2. Juni 1835: Der Gemeinderat berät erneut über das Obere Tor, die „Thor und brükeinfarts Erweiterung betreffend“

Urnummernkarte NO 0762Es hatte sich nämlich mit einem Fuhrwerk von außerhalb ein Unglück ereignet, für welches die Enge der Brücken- und Tordurchfahrt verantwortlich gemacht wurde. Die sich daran anschließende Auseinandersetzung der Stadt Owen mit den von auswärts stammenden Fuhrleuten gleicht einer Posse, in deren Verlauf die Fuhrleute mit umso mehr Nachdruck auftraten, je länger sich die Verhandlungen hinzogen und die schließlich damit beendet wurde, dass sich der Gemeinderat jegliche weitere Einmischung in die städtischen Verhältnisse verbat. Übrigens: Es gab auch damals schon – wie so oft auch heute – einen Schleichweg für Ortskundige, nämlich entlang der Lauter, so wie es der heutigen Verkehrsführung entspricht. Dieser aber war den auswärtigen Fuhrleuten verboten.

Urnummernkarte NO 0762Der Streit mit auswärtigen Fuhrleuten eskaliert Beim genauen Hinsehen wird die Erregung der Fuhrleute verständlich: Auf der Staatsstraße von Kirchheim her bietet die Einfahrt in die Stadt ausreichend Raum für Fuhrwerke und Fußgänger, denn das Kirchheimer Tor ist bereits abgebrochen (Bildrand oben). Dagegen ist die Situation am Oberen Tor erkennbar eng, zumal der Eintritt in die Stadt von dieser Seite her zusätzlich noch durch einen steilen Anstieg in der von der Lauter (Bildrand unten links) heraufziehenden Straße erschwert ist. Vergrößern Sie mit einem Klick auf Karte vergrößern den Ausschnitt aus der Urnummernkarte; Sie erhalten einen Gesamtüberblick über das Kataster der Stadt Owen. Rechts, leicht unterhalb der Bildmitte, erkennt man das Obere Tor und beidseits den Verlauf des Stadtgrabens. Ebenfalls erkennbar ist in einer feinen, parallel zur Stadtmauer verlaufenden Linie der ehemalige Zwinger. Der Kartenausschnitt zum Oberen Tor zeigt deutlich die beengte Situation: Unmittelbar an der Einmündung der heutigen Rathausstraße in die Marktstraße und leicht versetzt zum heutigen Gasthaus Gwölble blockiert das Obere Tor die Einfahrt in die Stadt.

Dieser Vorfall wurde zum Anlass genommen, erneut über den Abbruch des Oberen Tores nachzudenken, denn das Rathaus, am ehemaligen Marktplatz gestanden, war baufällig. Eine eigenartige Verquickung von Umständen, die sich aber dadurch erklärt, dass man daran dachte, mit dem Oberen Tor zugleich das Rathaus abzubrechen und mit den aus dem Abbruch gewonnenen Materialien das Rathaus neu aufzubauen (OB 26, fol. 92v und 93r). Ein Beschluss wurde aber auch dieses Mal nicht gefasst, man wollte schließlich nichts überstürzen.

In der Abbildung Owens von Kieser (Kopfbild) ist das mächtige, hohe Obere Tor mit dem Gefängnis gut zu erkennen; in der linken Bildhälfte die Unterstadt und die Marienkirche. Was das Rathaus angeht – es wurde auch noch nicht abgebrochen. Unser Ausschussmitglied Gerhard Hummel brachte vom heutigen Eigentümer des Gasthauses Zur Teck, Herrn Alfred Scheu, in Erfahrung, dass dessen Großvater mütterlicherseits das alte Rathaus nach 1837 erworben und dort die Gastwirtschaft Zum Rebstöckle einrichtete. Im Jahre 1899/1900 wurde das alte Rathaus dann doch noch abgerissen und im Jahr 1900 das jetzige Gebäude, die Gaststätte Zur Teck, errichtet.

Wie das Obere Tor einmal ausgesehen haben könnte, vermitteln die beiden Abbildungen des Ochsenfurter Tors des Marktes Sommerhausen am Main; ebenso sind Rückschlüsse auf die Tordurchfahrt selbst möglich. Von links nach rechts zeigen die Abbildungen das Obere Tor auf der Darstellung Owens durch Kieser sowie die Feld- und die Stadtseite des Ochsenfurter Tors. Das Ochsenfurter Tor hatte zwei äußere und zwei innere Torflügel. Es war im Lauf der Zeit baufällig geworden, deshalb wurde es 1776 eingelegt (= niedergelegt) und in seiner jetzigen Gestalt um den Preis von 713 fl. 44 kr. neu aufgeführt. Zit. nach der Ortschronik von Sommerhausen.

Aus dem auf Abbruch verkauften Thor Thurm ergeben sich einige Rückschlüsse zum ehemaligen Kirchheimer Tor und der Grabenbrücke. Die Auseinandersetzung der Fuhrleute mit der Stadt Owen könnte auch dadurch in ihrer Schärfe bestimmt worden sein, dass das Kirchheimer Tor bereits im Jahr 1816 abgebrochen und eine steinerne Brücke gebaut worden war. Es ging also um nichts weniger, als um eine Verbesserung der Verkehrsbedingungen für den Durchgangsverkehr auf der durch die Stadt führenden Staatsstraße.

24. Februar 1837: Das Obere Tor wird auf Abbruch verkauft

Dem Verkauf ging übrigens eine rege Bieter- und Versteigerungsaktion voraus, die in den Gemeinderatsprotokollen verzeichnet ist. Das dazu erstellte „Abstraichprotokoll“ ist verschollen. Und dann ging es ganz schnell. Am 24. Februar beschloss der Gemeinderat den Abbruch des Oberen Tors auf Verkauf (StA Owen, OB 26, fol. 166v), d.h. alle aus dem Abbruch stammenden Materialien gingen in das Eigentum des Käufers über.

Der Rest ist schnell erzählt. In den Stadtpflegerrechnungen für den Zeitraum vom 1. Juli 1836 bis zum 30. Juni 1837 (OR 171, fol. 4v und folgende) ist verzeichnet, dass laut dem „Abstraichsprotokoll von dem auf den Abbruch verkauften Thor Thurm nach welchem bey Friederich Hizelberger von Vaihingen Oberamts Stuttgart erlöst wurde 553 Gulden“. Friederich Hizelberger zahlte seine Raten zwar nicht immer pünklich und musste dafür jeweils einen Zins von wenigen Kreuzern entrichten, aber am 10. August 1837 vermerkt der Stadtpfleger mit einer gewissen Genugtuung, dass alles einschließlich der Zinsen vollständig bezahlt sei.


Quellennachweise:
Kopfbild und kleines Bild (Ausschnitt): Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 107/7 Bd 5 Bl. 6 Bild 1.
Urnummernkarte NO 0726: Landratsamt Esslingen, Amt für Geoinformation und Vermessung. Replikate der Karten für die Markung Owen können im Stadtarchiv eingesehen werden.
Bilder des Ochsenfurter Tors des Marktes Sommerhausen mit freundlicher Erlaubnis Bürgermeisteramt Markt Sommerhausen.