Bäder und Bader in Owen

Das Säubad, wie es zu seinem Namen kam und seine Geschichte
Mehr zur Badekultur in Owen: ➤ Die Owener Badstuben in der Badstraße
Dass Owen wie Bad Boll, Bad Überkingen und Göppingen einmal ein Mineralbad hatte, lebt nicht nur in der Erinnerung. Nun darf man sich fragen, wie ein Heilbad den gewiss nicht verlockenden Namen „Säubad“ haben konnte. Und ob es mit der urkundlichen Überlieferung dieses unschönen Namens auch sein Richtigkeit habe. An der Überlieferung besteht kein Zweifel, denn bereits 1487 wird im Städtlenbuch der Name „Säubad“ genannt und hält sich über die Jahrhunderte.
Die Quelle soll im Jahr 1468 entdeckt worden sein, und zwar soll ein wildes Schwein dazu Veranlassung gegeben haben. Dieses wühlte die Quelle auf und wälzte sich darin. Einige in der Nähe arbeitende Leute, welche dem zugesehen, kamen herbei, schöpften von dem Wasser und wuschen auch ihre Hände darin. – Einer derselben, der mit Krätze behaftet war, empfand zwar anfangs eine Steigerung des Juckens, bald aber sah er mit freudiger Verwunderung, daß er von dem Ausschlag geheilt sei.

Diese Geschichte von der Entdeckung der Heilkraft der Schwefelquelle, die etwa eineinhalb Kilometer westlich des Bahnhofs in einem Seitental liegt, berichtet der Ortspfarrer Paul Rooschüz in seiner 1884 gedruckten Ortsgeschichte von Owen.(1) Schon 1487 ist bei der Quelle ein Bad eingerichtet, zu dem aus der näheren und ferneren Umgebung Linderung Suchende strömen. Im sogenannten ➤ Pestbild von 1542 ist in der linken oberen Ecke eine ruhende Person abgebildet. Sie ruht von den Anstrengungen des „Heilbadens“ aus, während im Vordergrund „Sieche und Brestige“ zum Bad streben. Im Bildhintergrund ist eine idealisierte Ansicht des Städtleins Owen zu sehen. Der Andrang dürfte groß gewesen sein und ein Heilbad erfordert eine gewisse Logistik, will heißen, für den ordentlichen Betrieb sind Holz zur Befeuerung des Badofens und Zehrung, d.h. „Wein und andere nothturfft beyzubringen“. Einträge in den Owener Archivalien zeigen, dass die Heilquelle im Leben der Stadt eine achtenswerte Rolle spielte.

„Städtlenbuch I“ und das Lehen für Klaus von Grafeneck

Im Jahr 1487 verzeichnet das ➤ „Städtlenbuch“ eine „Einung“, d.h. einen Vertrag zum Überfahrtsrecht für den „Säubäder“ über Äcker und Wiesen, und des Weiteren das Recht, einen Weg „acht Schuhe“ weit anzulegen, da es ja keinen ordentlich Fahrweg gab. Wofür dann auch jährlich auf Michelis eine Entschädigung an den Inhaber der betroffenen Güter zu zahlen war. Der Name „Säubäder“ scheint sich um diese Zeit bereits als Eigenname verfestigt zu haben, das „Städtlenbuch“ nennt aber auch seinen richtigen Namen: Schwarzschedel.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wird ein anderer „Säubäder“ namhaft: Bentz [Berthold] Stefan. Am 27. November 1542 stellt ➤ Herzog Ulrich von Württemberg seinem Obervogt in Blaubeuren, Klaus von Grafeneck (1502-1572), einen Lehenbrief aus, in welchem vom Säubadbetreiber als jährlich an den Inhaber des Lehens zu entrichtende Abgaben vermerkt sind: Benntz stefann gipt vsser dem Sewbadt ob Owenn gelegenn ain pfundt acht schilling und funff imi weins.(2) Es gab also auch Weingärten um das Säubad herum. Später kommt das Bad in den Besitz der Liebschen Familie; Pfarrer Rooschüz merkt an: „Im Jahr 1571 kommt ein Hans Lieb, ‚Sewbäder‘ als Taufpate vor.“ Die Familie kommt zu einigem Wohlstand und vergrößert das Anwesen um das Säubad herum beträchtlich.

Vor dem Dreißigjährigen Krieg umfasst es vier Gebäude zur Aufnahme der Badegäste, 4 Morgen Wein und 2 Fischteiche. Diese Fischteiche befanden sich, so ist zu vermuten, an der Stelle, an der sich heute ein Biotop mit zwei Teichen befindet. Die heilkräftigen Quellen wurden im Seitental rechts der Straße mit zwei Dämmen aufgestaut. Gebadet wurde in diesen Teichen nicht, das Wasser wurde zum Badegebäude gebracht und dort erhitzt. Gebadet wurde in hölzernen Bottichen im Badehaus.


         
Wo die beiden Quellen für das Säubad zu lokalisieren sind, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Sowohl die von Ossiander erwähnte hölzerne Einfassung wie auch das steinerne Gewölbe aus dem Jahr 1827 sind verschwunden. Die Dämme, mit denen das Wasser aufgestaut wurde, sind im Gelände gut auszumachen; sie sind durchstochen, um das Wasser abfließen zu lassen. Die heute vorhandenen Teiche wurden in den 1980er Jahren als Biotop angelegt, wie erzählt wird, weil es da sumpfig war. Sie könnten durchaus die Nachfolger der beiden Fischweiher sein, die einmal zum Säubad gehörten. Blickt man in das „Säubad-Tal“ hinein, ist rechterhand im Hang eine Kuhle zu erkennen. Hier stand wohl einmal das Badegebäude.
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„Städtlenbuch II“ und zwei Armenkastenrechungen

Der Band 2 des „Städtlenbuches“ enthält Einträge für die Jahre 1500 bis 1582, wurde aber erst um 1730 angelegt. Welchen Stellenwert das Säubad im Ortsleben von Owen einnahm, erweisen auch zwei ➤ Kastenrechnungen aus dem späten 16. Jahrhundert. Der Armenkasten in Owen – eine frühe soziale Einrichtung zur Unterstützung von Armen und Bedürftigen – bezahlte zwei Rechnungen für „verbadet unnd an zehrung uffgewendt“, d.h. die Kosten für das Bad und den Bader selbst sowie für Speisen und Getränke für die badenden Personen.

Die in den Kastenrechnungen ausgewiesenen Beträge mit „5 Pfund 13 Schilling 10 Heller“ und „3 Pfund 17 Schilling“ scheinen nicht unerheblich zu sein. Dabei entspricht ein Pfund 20 Schillingen oder 240 Hellern. Allerdings ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, den heutigen Wert in Euro zu ermitteln, da der Umrechnung die Kaufkraft für die damaligen Realwerte entgegengesetzt werden müsste. Spekulationen, wie sie sich gelegentlich finden, dass ein Heller dem Gegenwert von 15 Euro entsprochen habe, sind mit großer Vorsicht zu begegnen.

Die Heilquelle wurde über Jahrhunderte hinweg bis in die Neuzeit geschätzt

1630 berichtet Georg Balthasar Rentz, Doktor der Medizin und Physicus zu Kirchheim, über das Owener Heilbad, dass die Bade- und Trinkkuren Frische und Kraftgefühl vermittelten, den Augen, Ohren und Zähnen wohltaten, vor Schlaganfällen bewahrten und offen Schäden und Fieber kurierten, ferner Cholera, Melancholie, Phlegma und allerlei Krankheiten zu heilen vermochten und zudem abführende Wirkung ohne Nebenerscheinungen hätten. Allerdings unterläuft dem Doktor der Medizin ein kleiner Fehler: Die Säubadquelle entspringt nicht am Teckberg, sondern diesem gegenüber in einem Geländeeinschnitt westlich von Owen.

Venia Teccia Oder Kurtze auch eigentliche Beschreibung deß Mineralischen Wassers am Tecker Berg / nahendt bey Owen herfürspringendt / ins gemein das Saw Bad genandt / mit was Kräfften solches begabt / welchen Kranckheitten es Dienlich / Meniglichen zu Nutz vnd Guth an Tag gegeben.

Im Dreißigjährigen Krieg, im April 1638, wurden beim Einfall der Schweden in Owen 17 Personen getötet, auch der „Sewbäder“. Die Witwe verkaufte das Bad mit Haus und Scheuer, 4 Morgen Weingärten und 2 Fischweihern an die Stadt Owen, die das Wohnhaus 1656 abbrechen ließ. Offenbar hatte sich in dieser Zeit das „Wunderbad“ in Boll als zu große Konkurrenz erwiesen, so dass das Owener Bad kaum mehr besucht wurde. Auch das Badegbäude scheint bald nachher vollends zerfallen oder abgebrochen worden zu sein. Pfarrer Rooschüz merkt dazu in seiner Stadtgeschichte S. 152 an: Doch wurde der Gebrauch der Quelle noch längere Zeit von Owen aus fortgesetzt. Noch im Jahr 1738 ist aus den hiesigen Heiligenpflegrechnungen zu ersehen, daß den armen Badegästen, sowohl einheimischen als fremden, ein Almosen gereicht wurde.

Etwa einhundert Jahre später, im 18. Jahrhundert, wurde eine der beiden Quellen mit Brettern neu eingefasst und überdacht. Diesen hölzernen Brunnenraum beschrieb der später berühmte Medizinprofessor Friedrich Benjamin Osiander 1779 in seiner Tübinger Dissertation über die Owener Heilquelle so: Dieselbe ist in einem hölzernen, 6´ tiefen Kasten, der überdacht und mit einer Thüre veschlossen ist, gefaßt. Um fremde Wasser abzuhalten, sind auf beiden Seiten Gräben gezogen. Aus der Mitte des Bodens ergießt sich ohne stärkeren Druck die Quelle. Doch füllte sich der ganz ausgeschöpfte Kasten in zwei Stunden wieder vollständig.(3) Erläuterung zu „6´“: Mit dem Hochkomma wird die Maßeinheit „Schuh“ abgekürzt. Der württembergische Schuh hatte eine Länge von 286,49 mm, der Kasten war also 1,72 m tief. Über die lichte Weite verrät Rooschüz allerdings nichts, so dass sein Fassungsvermögen nicht geschätzt werden kann.

1827 versah man die Quelle mit einem steinernen Gewölbe. Ein Owener Wundarzt nutzte danach die Heilkraft des Wassers, indem er gegen Gebühren an die Stadt das Wasser abfüllen ließ und in seiner Praxis Kranken übergab. 1857 gab die Gemeinde den Bezug infolge der geringfügigen Einnahmen und der schadhaften Quellenfassung frei. 1934 wurde noch einmal versucht, die Heilquelle neu zu ergraben und vom Schutt zu befreien, doch das Unternehmen wurde wieder aufgegeben. Ein Gutachten aus dem Jahr 1969 ergab, dass eine Mineralwasserfassung wegen mangelnder Mineralisierung und zu geringer Schüttung nicht mehr lohne.(4)

Wandert man heute an einem schönen Tag in das beschauliche Tal, wohl auf dem Fahrweg, den schon der „Säubäder“ befuhr, wird man am Säubad angekommen nichts von der früheren Badeherrlichkeit entdecken. Bei genauerem Hinsehen sind jedoch Dämme, Teiche, die Quelle und mit etwas Fantasie sogar der ehemalige Standort eines Gebäudes auszumachen.


Quellennachweise:
(1)Rooschüz, Paul: Owen. Seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten. Stuttgart, 1884.
(2)An erster Stelle wird das nach der Reformation von 1538 aufgelöste Augustinerinnenkloster in der Vorstadt von Owen genannt. Allerdings kann Klaus von Grafeneck nicht in das Lehen eintreten, weil im Kloster noch Schwestern aus dem Konvent leben, denen nach der Auflösung des Klosters ein lebenslanges Wohnrecht gewährt worden war; Landesarchiv Baden-Württemberg/Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 157 U 1188 und U 1189. „Imi“ ist ein altes ➤ Flüssigkeitsmaß und entspricht ca. 18 ltr.
(3)Zitat Rooschüz, S. 152.
(4)Locher, Rudolf: Das alte Owen. Hrsg. Bürgermeisteramt Owen, ohne Jahr. Locher beschreibt im Kapitel „Säubad in heutiger Sicht“ auf der Grundlage des Gutachtens, „daß bei der ehemaligen Heilquelle so gut wie keine Aussicht besteht, ein weiteres oder stärkeres Mineralwasservorkommen im Untergrund zu erschließen.“
Alle Abbildungen und Texte zum Säubad werden zur Verfügung gestellt vom Stadtarchiv Owen; Anfertigung der Digitalisate und Transkriptionen durch das Kreisarchiv Esslingen. Die Transkriptionen erfolgten gemäß den Grundsätzen für die Textbearbeitung im Fachbereich Historische Hilfswissenschaften – Stand 2009 – der Archivschule Marburg und wurden angefertigt von Kreisarchivoberinspektor Jochen Fuchs M.A. und Kreisarchivinspektorin z. A. Meike Zepf. Die Abbildungen der digitalisierten Texte des Stadtarchivs Owen sowie deren Transkription unterliegt dem urheberrechtlichen Schutz nach CC Creativ Commons.






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