Owen zum Kriegsende 1945

17 Tage vor Kriegsende, Owen im April 1945, Jagdbomber hinterlassen Spuren
Geschichte heißt, sich erinnern, die Vergangenheit nicht vergessen und in der Gegenwart bewusst mit der Erinnerung leben, damit sich Schreckliches nicht wiederhole.

Besonders prägend für Owen war auch der Zweite Weltkrieg, der in Owen rund drei Wochen vor der endgültigen Kapitulation am 8. Mai 1945 bereits zu Ende gegangen war. Im Jubiläumsjahr 2011 wurde mit einer Ausstellung dieses Ereignisses gedacht und deren Ziele fasste der Erste Vorsitzende des Alt-Owen Förderkreises e.V., Rainer Laskowski, mit diesen Worten zusammen: „Dinge, die sich historisch noch fassen lassen, festhalten, dokumentieren und an nachfolgende Generationen weitergeben; Jugendliche an die Heimatgeschichte heranführen.“ Insbesondere war es auch ein Anliegen des Förderkreises, das festzuhalten, was Fritz Nuffer (†) aus der Geschichte Owens zu berichten weiß und in seinem Eröffnungsvortrag in seiner gewohnt sachlich und trockenen Art von den furchtbaren Ereignissen im April 1945 zu berichten wusste.

Wehrmachtseinheiten auf dem Rückzug In jenem April 1945 fluteten die erschöpften Wehrmachtseinheiten aus dem Heilbronner Raum in Richtung Schwäbischer Alb, um dort in einem letzten verzweifelten Aufbäumen eine „Verteidigungslinie“ aufzubauen. In schier endlosen Kolonnen zogen die Einheiten durch das Lenninger Tal und stauten sich an den Engstellen des Albaufstiegs. Eine solche Einheit machte am 20. April in Owen Rast. Eine Angriffsspitze der mit nur geringem Abstand folgenden amerikanischen Einheiten erreichte Owen und steuerte mit Panzern die Stadtmitte über die Grabenbrücke an. Der erste Panzer konnte die Brücke noch passieren, unter dem zweiten nachfolgenden Sherman-Panzer, immerhin mehr als 30 Tonnen schwer, brach die Grabenbrücke westseitig ein und der Panzer stürzte in den Graben. Die Reaktion der amerikanischen Truppen erfolgte sofort: Artillerfeuer auf die Stadt und Fliegerangriffe. Die Antworten der Stadt Owen auf die Fragen des Statistischen Landesamt zu den Ereignissen am 20. und 21. April geben ein eindrückliches Bild, die in der Karte rot markierten Gebäude zeigen das Ausmaß der Zerstörungen:

20. April 1945: Eine große Kolonne vom Neckar über die Alb zur Donau sich zurückziehender Truppen legte über die Mittagsstunden in Owen-Teck eine Pause ein. Die Hauptstraße und freie Plätze mit Lastwagen und Pferdefuhrwerken dicht besetzt. Gegen 3 Uhr mittagts erfolgt der 1. Luftangriff durch 4 Jabos mit Bomben und Bordwaffen. Wirkung: 8 Soldaten, 4 Zivilisten tot […] gegen 30 Häuser brennen. Wegen dauernd explodierender Munition ein Löschen der Brände oder ein Retten von Wohnungseinrichtungen nicht möglich.
21. April 1945: Kleinere deutsche Trupps bilden vor Owen-Teck eine dünne Widerstandslinie. Zur Einleitung des feindlichen Angriffs gegen 2 Uhr mittags ein 2. Luftangriff, wohl dieselben Flieger. Wieder brennen Häuser, vor allem die Fabrik Gutekunst, der Kirchturm und das Schulhaus. Am Abend gegen 6 Uhr kurze Beschießung der Häusergruppe um die Grabenbrücke durch Artillerie, wohl Vergeltung für den Verlust eines Panzers, der auf die Brücke eingebrochen war. Die Häuser der hinteren Gasse brennen. […] Insgesamt sind an beiden Tagen 50 Häuser niedergebrannt (darunter Schule, Apotheke, Farrenstall, Mühle Ensinger, Fabrik Gutekunst, – die Kirche mit Turm wurde schwer beschädigt -).

Die Marienkirche wird ein Raub der Flammen Besonders bitter trafen die Angriffe die Marienkirche. Ein Brandgeschoß setzte die Kirchturmspitze in Brand. Löschen war nicht möglich, das Feuer fraß sich von oben nach unten durch den Turm und bald stand dieser wie eine riesige Fackel in Flammen. 1745 war ein neuer Aufbau des oberen Teils des Kirchturms notwendig geworden. Aus Kostengründen wurde er nicht in Stein, sondern als Fachwerk mit eichenem Gebälk ausgeführt. Die aufgesetzte „welsche Haube“ mit 8-fenstrigen Tambour wurde mit Blech statt mit Schiefer gedeckt. So fand das Feuer reichlich Nahrung, es entstand ein gewaltiger Sog wie in einem Hochofen und der Turm brach in sich zusammen. Die kleinste Glocke, die nicht hatte abgegeben werden müssen, wurde vom Feuersturm buchstäblich aufgefressen, von ihr wurde nichts mehr gefunden. Der Schmelzpunkt von 1160 Grad Celsius für die Glockenbronze macht deutlich, dass im brennenden Turm die Temperatur weit höher gewesen sein muss.

Das Kirchenschiff war erhalten geblieben, nur ein Granateinschlag im Dach war steckengeblieben und mit einer Plane notdürftig abgedeckt worden. Die Kirche schien gerettet, doch das stellte sich allzu schnell als Irrtum heraus: Der nächste Sonntag, der 29. April, war Cantate. Durch niederprasselnde Dachplatten wurden Nachbarn morgens zwischen 3 und 4 Uhr aufgeschreckt. Irgend ein Brandnest hatte anscheinend weitergeglostet und die trockenen Balken zum Brennen gebracht. Vom Turm her fraß sich das Feuer bald über den ganzen Dachstuhl durch. Die Feuerwehr, durch viele Einwohner unterstützt, konnte das Weiterbrennen an den Seitenschiffen aufhalten. Die brechenden Balken aber setzten auch die Decke des Mittelschiffs in Brand, stürzten mit ihr ins Innere der Kirche und zerstörten die Orgel, die Kanzel und den Taufstein. Nur die Seitenschiffe mit Emporen und Chorgewölbe blieben erhalten.

        

Das ganze Ausmaß der Zerstörungen lässt sich kaum darstellen, zumal nur wenige historische Aufnahmen aus den ersten Tagen nach dem Angriff vorliegen. Die in der Galerie gezeigten zeitgenössischen Aufnahmen können daher nur einen schwachen Eindruck von der Not und dem Elend dieser Tage vermitteln.
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Trotz des Schreckens dieser Tage im Jahr 1945 fand Fritz Nuffer die richtigen Worte für die Zuhörer, von denen ein großer Teil sich noch selbst an die Ereignisse erinnern konnten, indem er für die Fahnenfarben des Dritten Reiches eine neue Deutung für die wohl schrecklichsten Tagen in der Geschichte unserer Heimatgemeinde fand:

Rot, das rasende Element Feuer, das in diesen Tagen 54 Gebäude vernichtete. Schwarz die riesige Rauchwolke über dem Ort und die ausgebrannten Häuser mit den verkohlten Balkenresten. Weiß die Wolken, die darüber zogen und über Angst, Not, Tod und Leid hinaus bedeuteten: Das Leben geht weiter.

Quellen: Owen – 17 Tage vor Kriegsende 1945. Alt-Owen Förderkreis e.V. 2011, Ss. 25 f., 30, (Text), S. 37 (Stadtplan).
600 Jahre Marienkirche Owen. Evangelische Kirchengemeinde Owen, Frühjahr 1989, S. 32 f.