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Wollen wir das Leben von Pfarrer Georg Wölfflin (27.7.1594 Wendlingen, + 7.9.1634 Nürtingen) richtig verstehen, so müssen wir in der Kirchengeschichte etwas zurückblicken: Im Jahr 1534 wird unter Herzog Ulrich die Reformation in Württemberg eingeführt. Schon 1542 wird Conrad Barner hier in Owen als evangelischer Pfarrer fest angestellt. Nicht nur in deutschen Landen, sondern auch darüber hinaus findet die neue Auslegung der Bibel offene Ohren und Herzen. Immer mehr spalten sich dann die Ansichten über den alten und den neuen Glauben, was sich zum Religionskonflikt in Europa ausweitet und zu einem politischen Machtkampf führt: Dieser erreicht mit dem 30-jährigen Krieg, der im Jahr 1618 beginnt, schließlich seinen Höhepunkt.
Wenn heute in der Welt etwas Außergewöhnliches passiert, dann ist die Nachricht darüber in Sekundenschnelle rings um den Erdball verbreitet. Anders damals: Von den Fehden, Kämpfen und Schlachten irgendwo in Deutschland, die sich die kaiserlichen katholischen Truppen auf der einen und die von protestantischen Fürsten geführten Heere auf der anderen Seite lieferten, hörte man erst nach langer Zeit etwas – oft jedoch nichts.
Hier in Owen ging nach 1618 weiterhin alles seinen gewohnten Gang. 1622 wurde in der Kirche die Chorwand am Turm mit Bildern aus der Bibel bemalt, einige Jahre später 1633 der Boden des Chores mit „Brittern“ belegt und am Turm eine Verzierung angebracht. In dieser Zeit taucht erstmals der Name „Wölfflin“ auf. Ein Eintrag in die Kastenrechnung 1632/33 lautet:
Mitten im 30-jährigen Krieg fand also eine fröhliche Tafelei bei der Einführung des neuen Pfarrers statt. Zuvor war dieser 12 Jahre Diaconus in Kirchheim und wurde in Owen ab 17. Juli 1632 Nachfolger von Pfarrer Martin Schnitzer. Zwei Jahre konnte er hier seinen Dienst versehen und war beliebt bei der Gemeinde. Dann bahnte sich Unheil an. Nach der für die protestantische Seite so verhängnisvolle Schlacht bei Nördlingen am 27. August 1634 ergoss sich das kaiserliche Heer wie ein wilder Strom verheerend über unser Land. Die verrohte Soldateska, wohl seit Monaten keinen Sold erhaltend, fiel plündernd, mordend und brandschatzend mit erbarmungsloser Grausamkeit über Dörfer und Städte her. Besonders waren auch die Prediger der neuen Lehre ihr Ziel, was auch Pfarrer Wölfflin veranlasste zu fliehen, um Zuflucht in einer festen Stadt zu finden. So erreichte er noch vor den Soldaten Nürtingen. Über das Weitere schrieb Diakon Koler in das Owener Totenbuch:
Ermordet wurde Pfarrer Wölfflin in der Schlosskapelle aufgefunden, bei sich sein liebstes Werkzeug, die Bibel. Er hat wohl darin gelesen, als die Soldaten in die Kapelle eindrangen. Schützend hielt er das aufgeschlagene Buch vor die Brust, aber die Kugel und tödliche Stiche trafen ihn dennoch. Sein Blut bedeckte die Stelle, die er gerade gelesen hatte: 2. Timotheus 4, Vers 7: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben gehalten.“
Als „Nürtinger Blutbibel“ bekannt wird sie mit den Blutspuren des Pfarrers noch heute in der Württembergischen Landesbibliothek aufbewahrt – die Bibel des ehemaligen Owener Pfarrers M. Georg Wölfflin.
Verfasser des Beitrags: Fritz Nuffer. Quelle: Kreuz & Quer. Informationen aus Ihrer Kirchengemeinde Owen, Ausgabe Dezember 2006 bis Februar 2007, Spuren der Zeit.