Diepoldsburg

Die Geschichtsträchtige: Diepoldsburg
Die Anlage – vom Sattelbogen bis zur Albhochfläche

Die Diepoldsburg erstreckt sich auf einem sichelförmigen Felsgrat von West nach Ost mit ihren Anteilen der Unteren und Oberen Diepoldsburg. Die Untere Diepoldsburg sitzt auf einem schmalen Sporn in 735 Metern Höhe über dem Sattelbogen, der den Anschluss zum Teckberg bildet. Südöstlich der Unteren Diepoldsburg folgt ein flaches, offens Geländestück; hinter diese langgezogenen Lichtung erhebt sich der Burgstall der Oberen Diepoldsburg auf einem Plateau in 780 Metern Höhe. Der Grat ist auf seine ganzen Länge mehrfach gestuft und durch Quergräben geteilt, denn bevor die Untere und die Obere Diepoldsburg „geschichtsträchtig“ erschienen, bestand hier bereits eine andere Burg, die wahrlich geschichtsträchtig war.

Die „Thietpoldispurch“

Archäologische Funde belegen eine Burg um 900 und davor die Besiedlungen in keltischer Zeit. Große Mengen älterer gelber Drehscheibenkeramik mit Topfrandformen des Typs „runder Berg“ dokumentieren dies. Im Jahr 914 eskalierte ein Streit zwischen Salomo III., Bischof von Konstanz, Abt von Sankt Gallen und Kanzler des Reiches und dem schwäbischen Grafen Erchanger aus dem Geschlecht der Alaholfinger. Der entführte den Bischof zusammen mit seinem Bruder Berchtold und setzte ihn auf seiner Thietpoldispurch gefangen. Der Bischof kam schon nach wenigen Tagen frei, seine Entführer wurden 917 auf Befehl König Konrads hingerichtet.


Die Abbildung ist eine Komposition aus zwei Seiten in: Die Kunst- und Altertums-Denkmale in Württemberg, 1924, Donaukreis, 2. Band, S. 186-187. Im Teckboten veröffentlicht am 15.11.2002, Burgenforscher Christoph Bizer löst die Rätsel der Diepoldsburg.

Ob die Thietpoldispurch von 914 tatsächlich die Vorgängerin für die beiden Diepoldsburgen war, ist in der Forschung noch nicht schlüssig geklärt. Es gibt nur einen einzigen Hinweis auf die Burg in den „St. Galler Klostergeschichten“ [Casus Sancti Galli] des Mönchs Ekkerhard IV.; er schreibt, dass sich die Brüder nach der Gefangennahme des Bischofs entschieden, ihn auf die Thietpoldispurch zu bringen. Zahlreiche Lokalisierungsversuche, die die Burg im Allgäu, im Hegau, auch auf der Halbinsel Höri oder in der Schrotzburg auf dem Schiener Berg suchten, sind allesamt nicht überzeugend und können als gescheitert betrachtet werden. So bleibt allein die 1210 als „Diepoltsburc“ erstmals bezeugte Burg bei Unterlenningen als mögliche Nachfolgerin der Thietpoldispurch.

Der Burgenforscher Christoph Bizer bot im Jahr 2002 eine Lösung an(1), die er sich nicht angelesen, sondern im wahrsten Wortsinn „aufgelesen“ hat. Im Vergleich des tausende Keramikscherben umfassenden aufgelesenen Fundgutes von Burgstellen im Nahbereich zur Burg Teck verortet er die „Thietpoldispurch“ dort, wo sich heute die Reste der Unteren und Oberen Diepoldsburg befinden. 2004 folgte dann die fundierte Monographie „Die Thietpoldispurch und die Burgen der Kirchheimer Alb“(2) in kongenialer Zusammenarbeit mit Rolf Götz. Als Quintessenz aller vorgelegter Argumente für seine Lösung schreibt er S. 56: Die Vorstellung, die 1210 erstgenannte Diepoldsburg stelle irgendwie die Fortsetzung der Thietpoldispurch von 914 dar, ist falsch. Tatsächlich handelt es sich um zwei verschiedene Burgen von unterschiedlicher Zeitstellung, die eigentlich nur der gemeinsame Platz und Name verbindet. Beide Burgen sind … durch eine lange Besiedlungslücke voneinander getrennt.(3)

Bei der Annäherung an die Burgstelle von der Albhochfläche her stößt der Albwanderer auf einen grabenartigen Einschnitt und einen stark verschleiften Erdwall. Er markiert das östliche Ende der Thietpoldispurch. Nach ca. 100 m sind zwei Quergräben zu überwinden und er steht vor den Resten der hochaufragenden Schildmauer der hochmittelalterlichen Oberen Diepoldsburg; trapezförmig umlaufende Schuttwälle der einstigen Ringmauer markieren die ehemalige Größe. Das westliche Ende der langgestreckten Anlage bildet eine geneigte Fläche, die in einer Felsstufe zur grasbewachsenen Lichtung zwischen Oberer und Unterer Diepoldsburg abfällt. Die kleine Burg auf dem höchsten Plateau – in der Abbildung zeigen zwei Vektoren die Ausdehnung für jede der beiden Burgen – steht in der Mitte der fast 300 m langen Thietpoldispurch. Es ist unübersehbar: Die Thietpoldispurch und die Diepoldsburg haben wenig gemeinsam.

Obere Diepoldsburg

Um 1200 entsteht die Diepoldsburg neu, denn ungefähr zur gleichen Zeit benennt sich eine schriftlich beurkundete Adelsfamilie nach ihr. In einer auf 1210 datierten Urkunde, in der Heinrich von Neuffen eine Schenkung an das Kloster Salem bestätigte, ist als Zeuge der Ritter Vͦlricus de Diepoltspurc(4a) genannt. Am 11. April 1215 wird Ulrich in einer in Ulm ausgestellten Königsurkunde genannt, in der es um Güterverkäufe an das Zisterzienserkloster Kaisheim geht. Nach der Nennung der Grafen Otto von Kirchberg und Konrad von Lechsgemünd und der Edelfreien Sibiton von Albeck und Konrad von Stöffeln notiert die Urkunde Vͦlrico de Diepdespurc et aliis honestis viris(4b).

Ulrich von Diepoldsburg ist wohl der Gründer der Burg, nach der er sich benennt – der abgegangenen Thietpoldispurch. Er bewegt sich in einem hochadligen Umfeld am Königshof Friedrichs II. (dem späteren Kaiser Friedrich II.) und wird wohl auch in einer engeren Beziehung zu den Herzögen von Teck gestanden haben. Anders wäre eine Neugründung einer Burg am alten Burgplatz in unmittelbarer Nähe zur Burg Teck nicht erklärbar.

Die mehrteilige hochmittelalterliche Anlage bestand aus einer Vorburg östlich der Schildmauer der Kernburg, einer Vorburg westlich der Kernburg sowie der Kernburg auf dem Plateau dazwischen. Beider Vorburgen waren durch eine schwache Mauer und einen Graben gesichert. Die Kernburg hatte lediglich eine Grundfläche von 38 x 22 Metern. Die Felsen, die zuvor dort aufragten, wurden zur Steingewinnung für den Bau der 3,5 Meter dicken und mindestens 10 Meter hohen Schildmauer abgetragen und um eine ebene Fläche für die Gebäude der Burg zu schaffen. 

1297 ist die Diepoldsburg im Besitz der Herzöge von Teck; die Spuren der Gründerfamilie verlieren sich nach 1215. Nach Ausweis des Fundgutes entsteht die Untere Diepoldsburg nach der Mitte des 13. Jahrhundert. Bauherren sind wohl die Herzöge von Teck.(5a). 1303 verkauft Herzog Hermann von Teck seine halbe Burg, die halbe Stadt Kirchheim, die ganze Burg Hahnenkamm und die ganze Diepoldsburg an die Herzöge Rudolf, Friedrich und Lupolt von Österreich. Für die Diepoltsburg wird der Verkauf nicht vollzogen(5b). 1328 ist Albrecht der Grafe von Graveneck ze Diepolzpurg gesessen und nennt sich noch 1342 Graf von Diepoldsburg.(5c) Ende des 14. Jahrhunderts wird die Obere Diepoldsburg als Wohnsitz aufgegeben, 1406 ist die Diepoldsburg [die vestin daz vnder dyepoltspurg] im Besitz der Grafen von Württemberg.(5d) Die Untere Diepoldsburg wird hier erstmals und ab da ausschließlich so genannt.

Untere Diepoldsburg

Die Untere Diepoldsburg, im Volksmund „Rauber“ genannt, befindet sich 100 Meter entfernt von der Kernburg. Sie liegt hoch über dem Sattelbogen auf einem Felsen. Sie ist durch einen beachtlichen Graben von der Oberen Diepoldsburg abgetrennt. Es handelt sich um eine Nebenanlage ohne militärische Funktion, die der oberen Anlage wohl zusätzlichen Wirtschafts- und Wohnraum, jedoch militärisch wenig Schutz bot. Der Zugang zur Burg erfolgt über eine Holzbrücke oder über einen kleinen Pfad, der um den Burgfelsen zu einer Pforte zu einer gegenüberliegenden Pforte führt. Beide Eingänge sind nicht durch archäologische Befunde belegt.

Merkwürdig ist, dass die Anlage weder Mauertürme noch einen Zwinger oder eine Vorburg aufweist. Die Mauerstärke der Ringmauer beträgt leidglich 1,3 Meter, die innere Burgfläche misst 40 x 15 Meter. Eine Besonderheit sind die gerundeten Ecken der Ringmauer, sie ist in Bruchstein- statt in Quaderbauweise aufgeführt. Außer dem Schöpfachacht einer Filterzisterne sind keine Reste einer Innenbebauung aus Stein erkennbar.

Der üble Ruf als Raubritterburg kam erst in nachmittelalterlicher Zeit auf. Im Kirchheimer Vogtbericht von 1535 heißt es: Hinder Bissingen zu Kynn ligt ain Burgstall Diepelpurg genannt, haben Edelleut, Diepelspurg genannt, inngehapt, ist jetzt gar in abganng, allein das schlecht Burgstal allda(6). Der schwäbische Altphilologe und Historiker Martin Crusius schreibt noch 1596: Man findet auf der Alb zwey Berg=Schloͤsser, sie heissen Diepelspurg und Rauber: die Namen kommen offt mit der Sache selbst uͤberein. Denn es sollen vor Zeiten Leute allda gewohnet haben, deren Gebrauch gewesen, auf Beuten auszugehen und vom Raube zu leben.(7) Vielleicht geht die Bezeichnung Rauber aber auch auf den im Lagerbuch von 1694 bezeugten Flurnamen „Rauhberg“ zurück.

In einem Nachsatz lässt Crusius die Erinnerung an die Thietpoldispurch und den Politkrimi um Bischof Salomo von Konstanz aus dem Jahr 914 wieder aufleben: Man kann es an zwey Mauren sehen, die von den Schloͤssern weit hinaus gehen; wer zwischen dieselbe hinein gebracht worden, war schon verlohren; wie alte Leute erzehlen.

1964/65 fanden bestandserhaltende Maßnahmen unter Mitwirkung des Landes Baden-Württemberg statt, während derer unter anderem die Umfassungsmauern restauriert wurden. Die Ruine erhielt ihr heutiges Aussehen vor allem durch Ausbesserungen und Ergänzungen des historischen Bruchsteinmauerwerks mit Mauerungen mit Hausteinen in regelmäßiger Schichtung. Dies ist vor allem deutlich erkennbar am großen Tor, der hinteren Pforte und überhohen Fensteröffnung.

GEO DATA Obere Diepoldsburg:
Höhe über NN: 780 m
WGS84 (Grad Min Sek): N 48° 34′ 19“, E 9° 29′ 29“
WGS84 (GPS): N 48.571878, E 9.491279
GEO DATA Untere Diepoldsburg:
Höhe über NN: 780 m
WGS84 (Grad Min Sek): N 48° 34′ 23“, E 9° 29′ 17“
WGS84 (GPS): N 48.573007, E 9.488148

Literatur und Quellen
 (1)Fritz Heinzelmann: Burgenforscher Christoph Bizer löst die Rätsel der Dipoldsburg. Aus Politkrimi des 10. Jahrhunderts wurde ein Geschichtskrimi: Die Scherben lügen nicht, in: Der Teckbote vom 15. November 2002.
 (2)Christoph Bizer, Rolf Götz: Die Thietpoldispurch und die Burgen der Kirchheimer Alb. Neue Methoden und Ergebnisse der Burgenforschung, Kirchheim unter Teck 2004. [Schriftenreihe des Stadtarchiv Kirchheim unter Teck, Band 31, 2004]
 (3)Im Jahr 1059 gehörte die Burg in den Besitz der Grafen von Nellenburg, ein bedeutendes Adelsgeschlecht in Südwestdeutschland und der Nordschweiz, das um 1100 im Mannesstamm ausstarb. Die Nellenburger hatten in Kirchheim das Münzrecht inne und waren dem Papst treu ergeben. Vermutlich wurde die „alte Thietpoldispurch“ in den Kämpfen, die auf den Investitutstreit in den Jahren 1077 und 1078 folgten, zerstört. Für die Zeit danach besteht eine Fund- und damit verbunden auch eine Besiedlungslücke von nahezu mehr als 100 Jahren.
 (4ab)[a] Codex diplomaticus Salemitanus. Urkundenbuch der Cistercienserabtei Salem (Vol. 1-3), hg. von Friedrich von Weech. Karlsruhe (1883 – 1895), Nr. 77. [b] Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, 14. Band, 2. Teil. Die Urkunden Friedrichs II., 1212-1217. Bearbeitet von Walter Koch unter Mitwirkung von Klaus Höflinger, Joachim Spiegel und Christian Friedel. Hannover 2007, Nr. 292.
 (5abcd)[a,b] Irene Gründer: Studien zur Geschichte der Herrschaft Teck. Stuttgart 1963, Nr. 77 und 107. [c] Landesarchiv Baden-Württemberg/Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 602 Nr 13700 = WR 13700, 1328 IX 28, Albrecht siegelt die Urkunde zusammen mit seinem Bruder, dem Ecker; A 494 U 66 = WR 13700, 1342 XII 13, Albrecht ist zugleich Bürge und Siegler. [d] ebd., A 602 Nr 6043 = WR 6043, 1406 März 16.
 (6)Landesarchiv Baden-Württemberg/Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 4 Bü 41, Vogtbericht von 1535.
 (7)Martin Crusii […] Schwäbische Chronick. Aus dem Lateinischen übersetzt von Johann Jacob Moser, Frankfurt 1733. Bd. 2, S. 402. Online abrufbar als PDF bei der Eberhard Karls Universität Tübingen, Universitätsbibliothek [https://opendigi.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/LI25_fol].