Die Owener Beginenklause

Die Owener Beginenklause
– Annalen und Urkunden –
Die Geschichte der Beginenklause in der Owener Vorstadt ist eng mit der Peterskapelle, dem heutigen „Schlösslespfarrhaus“, und dem 1495 eingerichteten Augustinerinnenfrauenkloster verbunden. Die erstmalige Nennung der Klause im Jahr 1430 bedeutet nicht, dass es in der Zeit davor eine solche Schwesterngemeinschaft (so die Eigenbezeichnung) in Owen nicht gegeben hätte.

Dagegen berichtet der Historiker Martin Crusius (1524-1607)(1) in seiner „Schwäbischen Chronik“, dass das Nonnen-Kollegium zu Kirchheim den Bischof von Konstanz inständig bat, er möge ihnen die Regul des H. Augustini zur Vorschrifft ihres Wandels angedeyhen lassen. Bei diesem Nonnenkollegium handelte es sich wohl um ➤ Beginen, die sich um ihre Sicherheit sorgten. Denn diese Fratricellos, Beghardos und Beginen waren bei denen verhasst, die deren ungeregeltes klösterliches Leben für verwerflich hielten. Und daher kame es, daß einige Bischoͤffe dahin antrugen, man sollte dergleichen Collegia, so sich besagte Freyheit heraus naͤhmen und gefallen liessen, schleiffen. Die Kirchheimer Beginen entgingen diesem Schicksal und bekamen im Jahr 1247 ihre Regel des Hl. Augustinus; ein Beweis, dass es in Owen Beginen gegeben hätte, ist dies aber nicht.

Das sind die historisch belegten Fakten zur Beginenklause

Verkauf einer Gült aus einem Baumgarten Die Beginenklause wird in einer Urkunde von 1430(2) zum ersten Mal historisch greifbar: Am 25. März 1430 verkaufen die Spitalmeister von Kirchheim drei ➤ Simri Öl ➤ Gült aus einem Baumgarten zu Owen bei St. Peters Kapelle und der Klause um 34 lb. h. [= ➤ Heller] an den Heiligen zu Jesingen usz ainem bon // gart zuͦ Owen gelegen der ainhalb stost an sant peters capell vnd anderhalb an dú clusim vnd an vnser frowen guͦter. Damit ist auch eine nahezu präzise Angabe zum Standort gegeben: Sie befindet in der näheren Umgebung der Peterskapelle(3), dem heutigen „Schlösslespfarrhaus“, und der Marienkirche. Dort ist heute der Friedhof zwischen der Bahnhofstraße, der Wehrbachstraße und der Eisenbahnstraße.

Verwirrung um die Meisterin Barbara Für das Jahr 1460 berichtet der Archivar und Geschichtsschreiber Christian Friedrich Sattler von einem Skandal. Die Meisterin der Klause, eine gewisse Barbara, vormals eine Klausnerin zu Hermaringen, wurde von ➤ Graf Ulrich V. (* 1413; † 1. September 1480) abgesetzt (in Sattlers Diktion: „abgeschafft“), weil unter ihrer Aufsicht unter den Schwestern ‚Zuchtlosigkeit‘ überhandgenommen hatte. Auf Fürbitte der Gräfin Agnes von Helfenstein(4) wurde sie wieder und auf Lebenszeit eingesetzt. Der Obrigkeit von Owen wurde die Weisung gegeben, auf die Aufführung der Schwestern in der Klause und vor allem auf die Meisterin der Klause ein wachsames Auge zu haben. Vor allen Dingen sollten sich die Meisterin und ihre Mitschwestern eines „abgescheidenen geistlichen Lebens befleissen und allen Unfug aus ihrer Clausen verbannen“.(5)

Investur der Meisterin Barbara So eindeutig, wie von Sattler berichtet, ist die Sache allerdings nicht. In Graf Ulrichs „Bestetigungs=Brief“ liest es sich etwas differenzierter. Bestätigt wird, dass Barbara, die ehemalige Klausnerin zu Hermaringen, auf Bitten der Gräfin und „ouch begeren vnd anbringen dero von owen zu der clusen daselbs“, Meisterin der Klause sein soll, nämlich: „das Sie in der genanten clusen des gemelten flecken owen Ir leptag vnd zit als ein meisterin beliben vnd sin sol“. Das kann man auch so verstehen, dass die Bewohnerinnen der Owener Klause ebenfalls wünschten, dass Schwester Barbara ihre Meisterin sein sollte. Kein Wort von Absetzung und gnädiger Wiedereinsetzung. Die Weisung an Amtmann und Gericht von Owen, ein wachsames Auge auf die Klause zu haben, gilt für die Zukunft: „Ob sich aber gebe, das in kunftigen ziten“ die Meisterin der ‚Zuchtlosigkeit‘ nicht wehren oder diese der Obrigkeit nicht melden würde und Graf Ulrich davon erfahren sollte, nur dann „mugen wir die gemelten swester barbaren vnd meisterin vß der obgeschriben clusen verwisen vnd der meisterye alda entsetzen“.(6)

Die Beginenklause ist eine armselige Behausung Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 15. Jahrhundert(7) verzeichnen drei Petitionen, aus denen hervorgeht, dass die ökonomische Basis der Beginen prekär war. 1465 ist die Klause so baufällig, dass sie renoviert werden muss. Um die Kosten decken zu können, bittet das Schwesterkollegium den Konstanzer Bischof ➤ Burkhard II. von Randegg († 13. April 1466) um die Erlaubnis, Almosen sammeln zu dürfen, der die auf ein Jahr begrenzte Erlaubnis dafür am 1. September erteilt. Die Baumaßnahmen halten nicht lange vor. Eine gleiche Erlaubnis wird am 1. April 1483 und noch einmal am 16. November 1489 von Bischof ➤ Otto IV. von Sonnenberg (* vor 1452; † 21. März 1491) erbeten und erteilt.

Die Petitionen werden unter dem Titel monasterium [= Kloster] für ein ➤ inclusorium in Owen OSA. ruinosa oder domum sororum OSA. annexam capelle S. Petri extra muros op. Owen ruinosam verzeichnet. Zusammen mit dem Ordenskürzel OSA = Ordo Sancti Augustini wird damit der Status der Beginen als semireligiöse Schwesterngemeinschaft unterstrichen: Die Beginen der Owener Klause lebten, so wie die Schwestern des eingangs erwähnten Nonnen-Kollegiums in Kirchheim, nach der Regel des Hl. Augustinus, pflegten also eine klösterliche Lebensweise. Sie hatten jedoch kein Ordensgelübde abgelegt. Und die Klause ist in einem ruinösen Zustand.

Die Beginenklause wird ein Kloster Bereits 1479 hatte ➤ Graf Eberhard im Bart (* 11. Dezember 1445 in Urach; † 25. Februar 1496 in Tübingen) die früheren Tübinger Sammlungsschwestern (Beginen) dazu bewegt, Augustinerinnen zu werden. Im Sommer 1495 verlegt er, infolge immer dringlicher werdenden Bitten der Nonnen, das Augustinerinnenkloster St. Ursula aus der unruhigen und für ein geistliches Leben wenig geeigneten Stadt Tübingen nach Owen und vereinigt es mit der Owener Klause. Er übergibt den Tübinger Nonnen „nit allein das gemelt Schwester=Hauß in der Vorstatt zue Owen / sonder auch Sanct Peters Capellen dabey gelegen vnnd die Caplaney darinn gestifft der Lehenschafft vnns zuestett mit allen jren Zinsen Renten Guͤlten Guͤtteren und Zuegehorden“, die Klause und deren Bewohnerinnen sollen „ingegeben zuegefuͤgt vnnd incorporiert“ werden, damit „daselbs ein Frawen Closter Sanct Augustins regulierten Orden inn Sact Peters Namen zue vnd vffgericht“ werde. Die Urkunde verrät den wahren Charakter der ‚Vereinigung‘: die Beginen werden mit den Tübinger Augustinerinnen assimiliert.(8)

Kartenausschnitt aus Google maps
Der Bericht Sattlers zu ’skandalösen‘ Zuständen in der Owener Beginenklause.
Der Bestätigungsbrief Graf Ulrichs zur Einsetzung der Klausnerin Barbara als Meisterin der Owener Beginenklause.

Investiturprotokolle der Diözese Konstanz
Kloster. -1465 IX I Bittgesuch [Erlaubnis zum Almosensammeln erteilt] für ein Jahr für die Klause in Owen OSA. ruinös [!] [baufällig, vom Einsturz bedroht]
1483 IV I Bittgesuch [wie 1465] für das Haus der Schwestern vom augustinischen Orden, an/bei der St. Peterskapelle vor den Stadtmauern von Owen, das ruinös ist [wie 1465]
1489 XI 16 Bittgesuch [wie 1465] für die Klause vor den Stadtmauern von Owen.

Vermeintliche Bulle „de novo“ von Papst Alexander VI., Ausschnitt aus Crusius, Bd. 3, S. 145. – Die Vorlage in Latein lautet: vt Capella S. Petri, sita extra muros oppidi Ovven … de novo construitur atque aedificatur und bedeutet: dass die St. Peterskapelle und das dazugehörige Kloster (monasterium) von Grund auf neu erbaut und aufgerichtet werden.

Die Tübinger Nonnen kommen salopp gesagt ‚mit Sack und Pack‘ nach Owen, sie werden „mit aller jr Habe vnnd Guͤttern dahin transferiert“ [Besold, S. 564]. Da beide Gemeinschaften bereits nach der Augustiner-Regel leben, fällt die Integration nicht schwer, für die Owener Beginen ist dies sogar von Vorteil. Sie legen den prekären Beginen-Status ab und treten in einen regulären Klosterkonvent ein. Alle aus der Owener Klause, die von diesen gravierenden Änderungen betroffen sind, stimmen zu: Die Vorsteherin und die Schwestern, die ja schon nach der Augustiner-Regel leben, auch der Kaplan der Kaplanei zu St. Peter, Petrus Merckhlin, und der Pfarrer der Stadt, Niklaß Sattler. Für die Schwestern und den Kaplan siegelt die Stadt Owen, der Pfarrer hängt sein eigenes Siegel an die Urkunde.

Probleme machen die räumlichen Verhältnisse. Die Beginenklause ist zu klein, und dazu noch in einem erbärmlichen Zustand. Abhilfe schafft eine vermeintliche päpstliche Bulle vom 16. Mai 1495, in der Papst Alexander VI. (* 1. Januar 1431; † 18. August 1503) allen, die am Bau und der Ausstattung des neuen Klosters und an der Renovierung der bestehenden Gebäude mitarbeiten, einen Ablass von 100 Tagen auf auferlegte Bußen gewährt.(9)

Zusammengefasst: Ursprung und Ende der Beginenklause Der Ursprung der Owener Beginenklause liegt, wie eingangs gezeigt, im geschichtlichen Dunkel. Es ist jedoch möglich, dass es ähnlich dem erwähnten Kirchheimer Nonnen-Kollegium eine semireligiöse Schwesterngemeinschaft in Owen gab. Erstmals urkundlich fassbar wird die Klause im Jahr 1430 und erscheint ein letztes Mal 1495 als „Schwester=Hauß in der Vorstatt zue Owen“ im ‚Translations-Brief‘ des Grafen Eberhard im Bart. Mit diesem endet die Geschichte der Owener Beginenklause. Die Schwesterngemeinschaft wird in den von Tübingen übersiedelnden Augustinerinnen-Konvent inkorporiert, die Klause weicht einem neuen Klostergebäude. Aus der St. Peterskapelle wird eine ordentliche Klosterkirche. Ob die jämmerliche Behausung der Beginen abgerissen wird, um Platz zu schaffen, oder ob sie repariert und umgenutzt wird, ist weder aus der Urkunde Graf Eberhards noch der vermeintlichen päpstlichen Bulle „de novo“ zu entnehmen.(10) Die Zeiten überdauert hat auch das Kloster nicht; die Erinnerung lebt fort im „Schlösslespfarrhaus“, der ehemaligen Klosterkirche.

Das „Schlösslespfarrhaus“ ist die ehemalige Klosterkirche des Frauenklosters.

Anmerkungen/Quellennachweise:
(1)Martin Crusius: Annales Suevici. 3 Bände , Frankfurt am Main 1595 (Band 1–2) bis 1596 (Band 3). Deutsche Übersetzung von J.J. Moser (1733), Bd. 1, S. 806. Digitalisat der Universitätsbibliothek Tübingen.
(2)Landesarchiv/Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Urkunde A 602 Nr 9861 = WR 9861. Die Urkunde kann als Digitalisat eingesehen werden. – Mit dem „Heiligen zu Jesingen“ ist die dortige Kapelle gemeint.
(3)Zur Geschichte der Peterskapelle vgl. Rolf Götz, Vergessene Kirchen in Kirchheim unter Teck und Identifizierung vorreformatorischer Kirchen und Kapellen, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck, Bd. 15 (1992), S. 57-59; Paul Rooschüz, Owen. Seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten, Stuttgart 1884, S. 136-138.
(4)➤ Agnes von Weinsberg, Gräfin von Helfenstein-Wisensteig (um 1390; † 1474).
(5)Christian Friedrich Sattler, Geschichte des Herzothums Würtenberg unter der Regierung der Graven (1767-68), Bd. 3, S. 272.
(6)Sattler, Bd. 2, Beilage 123. „mugen wir“: Der Passus in der Urkunde lautet vollständig: „alsdann vnd sust nit, haben vnd mugen wir“. Die Verwirrung um Absetzung und Wiedereinsetzung oder Neueinsetzung der Barbara entsteht durch das Wort „haben“, das scheinbar in die Vergangenheit verweist. Es ist wohl eher dem in Urkunden dieser Zeit üblichen Sprachschwulst geschuldet. – Zitat Regest: „Graf Ulrich V. bestellt Schwester Barbara, ehemals Klausnerin zu Hermaringen, auf Bitte der Gräfin Agnes v. Helfenstein, geb. v. Weinsberg, zur Meisterin der Klause in Owen.“ Das Original der Bestätigungsurkunde vom 12. Januar 1460, WR 1460, ist 1944 im 2. Weltkrieg verbrannt.
(7)Manfred Krebs, Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 15. Jahrhundert. Registerband, S. 643 (Freiburger Diözesan Archiv [FDA], 72. Band, 1952).
(8)Christoph Besold, Virginum sacrarum monumenta in principum Würtembergicorum ergastulo litterario etc., Tübingen (1636), S. 562-565 (Vollständiger Abdruck der Urkunde). MDZ Münchener DigitalisierungsZentrum, Digitale Bibliothek. – Vgl. Götz, S. 60; Rooschüz, S. 143-145.
(9)Besold, S. 564, führt eine „Bäpstliche Bull“ an, jedoch ohne das Incipit „de novo“. – Crusius, Bd. 3, S 144 f. – Vgl. Rooschüz, S.145.
(10)Aus der von Crusius in der Originalausgabe Band 3, S. 503, wiedergegebenen Urkunde geht eindeutig hervor, dass es sich hier nicht um eine päpstliche Bulle, sondern um eine Kardinalssammelindulgenz, d.h. eine Ablassurkunde mehrerer Kardinäle handelt. „Dass auch eine päpstliche Urkunde vorgelegen haben muss, geht allerdings sowohl aus der Ablaßurkunde der Kardinäle, in der von einer apostolia licentia die Rede ist, als auch aus der Urkunde, die bei Besold abgedruckt ist, hervor.“ (Mitteilung vom Erzb. Archiv, Erzdiözese Freiburg) – Die vermeintliche päpstliche Bulle „de novo“ geht wohl auf die missverständliche Formulierung bei Rooschüz, S. 145, zurück. (Mitteilung vom Landesarchiv/Hauptstaatsarchiv Stuttgart)