Das Owener Geschichtshaus

Das Owener Geschichtshaus hat eine wechselvolle Geschichte

War das „Beginenhaus“ einmal ein Rasthaus? Diese Annahme ist erlaubt. Die hier zum Oberen Tor abbiegende Steige, die die Fuhrleute zu einer Pause für das Umspannen vor der Weiterfahrt nötigte, war buchstäblich von Gasthäusern umlagert: Von der Schildwirtschaft „Gasthaus zum Hirsch“ (in der Karte Nr. 9), vom „Gasthaus und Metzgerei zur Linde“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in späteren Jahren „Zum Stillen Zecher“ umbenannt (roter Punkt), vor der Gabelung von der „Post“ mit dem dahinterliegenden Saalanbau (in der Karte nördlich von Nr. 8, roter Punkt), der mit der „Beginenklause“ (blauer Punkt) nach Süden ein offenes Dreieck bildenden „Wirtschaft und Metzgerei zur Traube“ (in der Karte Nr. 48) und nicht zuletzt von der Schildwirtschaft „Adler“ (roter Punkt) an der Abzweigung nach Beuren. Das Gebäude befand sich also direkt an einem Verkehrsknotenpunkt.

Erste verlässliche Nachrichten zu den Bewohnern Erste verlässliche Nachrichten zu den Bewohnern des Hauses gibt es erst zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Ehebuch des Pfarramtes Owen ist am 2. Juni 1744 die Hochzeit zwischen Anna Catharina Volmar, Tochter des Küfers aus Owen, und Johann Georg Schmidt, Bürgermeister aus Gutenberg, dokumentiert. Der Küfer Volmar oder Vollmer lebte zu dieser Zeit im „Beginenhaus“ und betrieb eine Küferei. Sein Schwiegersohn Johann Georg Schmidt war Crämer und Eisenfactor und handelte erfolgreich mit Baumaterialien. Ob sich sein Laden von Anfang an im „Beginenhaus“ befand, ist nicht bekannt, aufgrund der baulichen Befunde aber anzunehmen.

1824 kam das Haus per Teilverkauf an den Kaufmann Carl Christian Bender; im Kaufvertrag ist die Beschreibung des Hauses ausführlich aufgeführt: Zunächst werden zwei Weinkeller und ein Gemüsekeller genannt. Darüber eine zweistöckige Behausung, worin ein Kaufladen eingerichtet ist und weitere verschiedene Räume. Genau beschrieben wird auch, wer im dritten Stock die gelbe und blaue Gaststube, die Rauchkammer, die Magdkammer und andere Kammern benutzen darf. Im Dach sind vor allem die mit „Blättlen“, also mit Fliesen belegte Fruchtkammer und der große Taubenschlag benannt.

Der Vertrag ist als vollständiges Faksimile im Geschichtshaus ausgestellt. Für interessierte Leser ist dieses Faksimile mit einer beigefügten Transkription auf dieser Seite aufrufbar. Der Alt-Owen Förderkreis dankt Herrn Dipl.-Archivar (FH) Jochen Fuchs M.A. vom Kreisarchiv Esslingen für die Erstellung der Umschrift.








Der Verkäufer Philipp Friedrich Schmidt, ein Sohn Johann Georg Schmidts, behielt den ganzen zweiten Stock für sich, ebenso die hintere Hälfte der Scheune mit dem Gewölbekeller. Bei der Scheune musste er laut Vertrag so lange warten, „bis der Verkäufer seinen gegenwärtig darin liegenden Wein verbraucht oder verkauft hat und so im Quantum herabgekommen ist, bis er solche in seinem eigenen Kelleranteil aufbewahren kann.“ Als er im Jahr 1832 starb, konnt der Kaufmann Carl Bender die andere Hälfte des Hauses von den Erben erwerben. Zwei Jahre später übernahm dessen Bruder, Wilhelm Gustav August, die Geschäfte und heiratete die Witwe des in diesem Jahr verstorbenen Bruders. Er war ein rühriger Geschäftsmann und engagierter Owener Bürger und seine Einkommensverhältnisse machten es ihm möglich, das Nachbarhaus – und damit einen Anbau direkt an das „Beginenhaus“ zu kaufen. Dieses Gebäude hat heute noch fast das gleiche Aussehen wie zur Zeit seiner Erbauung.

Vom mittelalterlichen Rast- und Wirtshaus zu „Richters Bauch“ Zum Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich die Geschichte mit „Handel und Wandel in der Beginenklause“ fort. 1905 übernahm der Kaufmann Karl Richter den Laden von Friedrich Bepler, dem Schwiegersohn von Carl und Mathilde Bender, den Paul Rooschüz in seiner Ortsgeschichte erwähnt. Den Owener Bürgern war der Laden als „Richters Bauch“ ein stehender Begriff und der leitete sich nicht etwa vom Leibesumfang des Besitzers ab, sondern vom großen Warensortiment des Ladens. „Von der Wiege bis zu Bahre“, das war das Ladenkonzept Richters.

Und auch die nachfolgenden Kaufleute, Anton Priban und seine Ehefrau Lore, die das „Beginenhaus“ 1936 kauften, nutzten die Vorteile des an einer zentralen Stelle gelegenen Gebäudes, befindet es sich doch am Übergang aus dem „oberen Städtle“ über die mittlere der drei Lauterbrücken – der Mitterbruck oder noch heute so genannten „Pribansbrücke“ – in die Unterstadt und zur Marienkirche. Das Ladengeschäft wurde modernisiert, große Schaufenster wurden eingebaut und das schöne Fachwerk des Hauses wurde fachmännisch freigelegt. 1970 verkaufte Anton Priban das Haus an die Familie Giesbert Schäfer, die den Laden weiterführte, bis 1976 ein Brand zur Geschäftsaufgabe zwang; das Gebäude blieb jedoch auch weiterhin im Eigentum der Familie. Nach der Renovierung eröffnete Dieter Höcherl seinen Meisterbetrieb „Radio Höcherl“, ein Fachgeschäft für Rundfunk, Fernsehen und HiFi, und betrieb dieses bis 1997.

Das Geschichtshaus heute

Im Jahr 1986 erwarb die Stadt Owen das „Beginenhaus“ von der Familie Schäfer. Der Stadtrat beschloss, das Gebäude gemäß den vorhandenen Fotos wieder in den ursprünglichen Stand zurückbauen zu lassen und nahm dieses Projekt zum Ende des 20. Jahrhunderts in Angriff. Der Eingang wurde an seinen alten Platz zurückverlegt und Sprossenfenster wurden eingebaut. Im Jahr 2007 wurde im Erdgeschoss das Stadtarchiv eingerichtet und 2011 die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte im Obergeschoss eröffnet.


Urheberrechtsnachweise: Grundriss, Aufriss, Gutachten: Dipl.-Ing. H.-J. Bleyer, Metzingen; fotografische Abbildungen: Alt-Owen Förderkreis e.V.; Abbildung und Faksimilierung Kaufvertrag: Stadtarchiv Owen, OB 310, Bl. 60 ff.
Die Abbildungen der digitalisierten Texte des Stadtarchivs Owen sowie deren Transkription unterliegt dem urheberrechtlichen Schutz nach CC Creativ Commons.

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