Weg- und Straßennamen in Owen

Owener Weg- und Straßennamen
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Der Mörikeweg
Mit dem Mörikeweg ehrt Owen den Lyriker und Erzähler Eduard Friedrich Mörike, der als evangelischer Pfarrer bis zu seiner frühen Pensionierung stets mit seinem „Brotberuf“ haderte. Der Mörikeweg liegt westlich der Lauter in einem Quartier, das in früheren Zeiten Im Ries genannt wurde, begleitet in seinem nord-südlichen Verlauf die jenseits der Lauter verlaufende Bundesstraße (B 465) und hält nördlich und südlich die Verbindung mit dem Lauterweg.

Eduard Mörike wurde am 8. September 1804 in Ludwigsburg geboren. Nach dem Tod seines Vaters 1817, des Medizinalrats Karl Friedrich Mörike, kam er als Halbwaise zu seinem Onkel Eberhard Friedrich Georgii, der für seinen Neffen eine geistliche Laufbahn vorgesehen hatte. Ab 1818 besuchte er daher das evangelische Seminar in Urach und von 1822 bis 1826 das Tübinger Stift, ein Studienhaus der evangelischen Landeskirche in Württemberg, in das er trotz mäßiger schulischer Leistungen aufgenommen wurde. 1823 begegnete er während der Osterferien in Ludwigsburg Maria Meyer, er verlor sich in einer stürmischen Verliebtheit und brach die Beziehung aber zum Jahresende ab. Es entstanden die „Peregrina-Gedichte“, die er in den Jahren von 1824 bis 1867 immer wieder überarbeitete. Die zehn Fassungen des Zyklus zeigen nicht nur, wie einschneidend diese Begegnung für ihn war, vor allem aber, dass sein Herz eigentlich der Dichtung gehörte.

Nach einem nur mäßigen Examen und der kirchlichen Prüfung vor dem Konsistorium begann für Mörike eine acht Jahre währende „Vikariatsknechtschaft“ als Vikar und später Pfarrverweser mit Stationen in Oberboihingen (1826), Möhringen und Köngen (1827) Pflummern, Plattenhardt und Owen (1829; in diesem Jahr entstand sein berühmtes Frühlingsgedicht „Er ist’s“), Ettlingen (1831), Ochsenwang (1832), Weilheim an der Teck (1833) und erneut Owen, Ötlingen. 1834 wurde er schließlich Pfarrer in Cleversulzbach.

Die vielen Wechsel zeigen zweierlei: Das Vikariat war aus heutiger Sicht ein Prekariat, die häufigen Wechsel waren nicht selbstbestimmt, sondern eher „Verschickungen“ durch das Konsistorium, das Vikarseinkommen so gering, dass die Gründung eines eigenen Hausstandes und eine Eheschließung wirtschaftlich nicht zu leisten waren. Andererseits war Mörike ein unruhiger Geist, dessen innere Neigung ganz und gar nicht dem geistlichen Beruf gehörte. Es waren die generellen Zweifel an seiner Tauglichkeit für eine kirchliche Laufbahn und fortwährende gesundheitliche Probleme: Das geistliche Leben ists. Ich bin nun überzeugt, es taugt nicht für mich … der Doktor [hat mir] einen Urlaub auf einige Zeit beim Consistorium ausgewirkt … Meine Gesundheit kann diß sehr wohl brauchen … (in einem Brief vom 9. Dezember 1827). Im Alter von nur 39 Jahren beantragte Mörike 1843 die Versetzung in den Ruhestand (die endgültige Pensionierung erfolgte allerdings erst im Jahr 1866). Seine Pension betrug jährlich 280 Gulden und wurde gnadenhalber gewährt, sein Pfarrergehalt hatte dagegen 600 Gulden betragen.

1851 heiratete Mörike Margarethe von Speeth, 1855 und 1857 wurden die Töchter Fanny und Marie geboren. Zunehmende Eheprobleme führten 1873 zur Trennung der Eheleute; wenige Tage vor seinem Tod am 4.Juni 1875 versöhnte sich Margarethe mit ihrem Mann, der auf dem Stuttgarter Pragfriedhof (B 623) begraben wurde.

Nach der Versetzung in den zeitweiligen Ruhestand hatte Mörike zunächst mit finanziellen Problemen zu kämpfen, die im Lauf der Jahre nachließen. Honorare aus seiner dichterischen Tätigkeit, eine Erbschaft Margarethes und eine wenn auch gering dotierte Stelle als Literaturlehrer in der Nachfolge von Gustav Schwab am Königin-Katharina-Stift, an dem er ab 1856 zehn Jahre lang Literatur unterrichtete, sorgten für auskömmliche Verhältnisse. 1852 wurde ihm der Ehrendoktortitel der Universität Tübingen verliehen, 1862 der Bayerische Maximiliansorden und 1864 das Ritterkreuz des württembergischen Friedrichs-Ordens.

1838 erschien die erste Gedichtsammlung, 1839 ein Sammelband erzählender und dramatischer Dichtungen. Sein wohl bekanntestes Gedicht „Er ist’s“ entstand 1829 und wurde 1832 in Mörikes romantischem Künstlerroman „Maler Nolten“ erstmals veröffentlicht. Weitere bekannte Werke sind „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ (1853), darin eingebettet „Die Historie von der schönen Lau“ (die auch in einem Stuttgarter Tatort-Krimi thematisiert wurde) und die Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ (1856), die vom Literaturwissenschaftler Helmut Koopmann als „Die berühmteste Künstlernovelle des 19. Jahrhunderts“ bezeichnet wird.

Mörike in Owen

Am 14. Dezember 1829 trifft Eduard Mörike in Owen ein. Er soll wieder einmal als Pfarrgehilfe, wie schon so oft, tätig sein. Am nächsten Tag berichtet er in einem Brief an seine Verlobte Luise Rau darüber. Sie war die Tochter des kurz zuvor verstorbenen Pfarrers von Plattenhardt, Mörike war der Pfarrverweser, und so kamen sich die beiden näher. Sie verlobten sich am 14. August 1829, mussten sich aber schon bald zumindest räumlich trennen, als Luises Mutter mit ihren Töchtern nach Grötzingen zog und Mörike nach Owen geschickt wurde. „Ich bin – mir nichts Dir nichts – zum Vikar in Owen, Dekanats Kirchheim, gemacht.“, wie er am 28. November an Luise schreibt.

Am Tag nach seiner Ankunft in Owen beschreibt Mörike seine ersten Eindrücke in einem ausführlichen Brief an Luise:

Die erste Begrüßung im Hause war gleich gar ungezwungen. Ein stattlicher Herr im reinlichen Hausrock, der Stadtpfarrer (gemeint ist Pfarrer Karl August Brotbeck, 1755-1832) – hatte auf den ersten Blick etwas Väterlich-Einnehmendes für mich; man durchlief ungesäumt das Zunächstliegende – Warum haben Sie Ihre Jungfer Braut nicht mitgebracht? – sie sollte sich doch auch einbilden können, wo und wie Sie jetzt leben. … Das Pfarrhaus war lange, eh es zu einem Edelsitz gemacht wurde, eine Kirche, jetzt hat es noch ziemlich das Ansehen eines Schlößchens, massive Mauern, je zwey zusammenstoßende Fenster in breiten, oben ausgewölbten Nischen. Die Aussicht meiner Stube geht auf den weitläuftigen Garten, eine Seite des Orts und seitwärts die nahe Ruine. Die Einrichtung im Hause ist sehr ordnungsvoll, sauber, bequem und anständig. […] (Eine Stunde später, nach einer Besichtigung der Kirche.) Von großem Interesse war ein altdeutsches Gemälde, mit vergoldetem Grund und gemahlten Flügelthüren für mich, (Gemeint ist das Altartriptychon von Conrad Weiß in der Owener Marienkirche; siehe Anmerkung unten.) es stellt die Kreuzesabnahme vor und ist sicherlich von seltnem Werthe, aber für mich von ganz besonderm, denn bey einer der Nebenfiguren (…) fiel mir eine rührende Ähnlichkeit mit meiner Geliebten in Haltung, Ausdruck und Scheitelhaar auf, dergestalt daß mich der erfrorne alte Pfarrherr kaum von der Stelle brachte. Meine liebste Zuhörerin in der Kirche – dachte ich – ist nun schon gefunden. In der That, ich werde nicht leicht die Kanzel besteigen, ohne dieser Gestalt einen geheimen Blick zuzuwerfen.

Mörike schickte seiner Luise eine von ihm selbst gefertigte Zeichnung, die ihn in seiner Stube am Ofen lehnend zeigt. Im Hintergrund ist eines der Doppelfenster zu sehen, welches auch heute noch vorhanden ist; der Ofen ist zu Mörikes Zeit bereits hundert Jahre alt. Auf der Rückseite des Blattes notierte er: Der junge Mensch am Ofen ist blos Nebensache macht keinen Anspruch auf ein Portrait und dient nur, den Raum etwas zu belegen. Übrigens scheint er eine Predigt zu memoriren, oder, was er jedenfalls lieber thäte, er liest ein Briefchen von seinem Mädchen …

Mörike verbrachte 16 Monate in Owen als Vikar. Er erfüllte seine Vikarspflichten peinlich genau, wie im „Synodal-Zeugnis“ von 1830 vermerkt ist. Er machte zusammen mit Freunden Ausflüge ins Lenninger Tal und auf die Teck, genoss die Geselligkeit in Wirtshäusern und hatte Besuch von seiner Verlobten, von Freunden und Verwandten. Von 60 Briefen an Luise Rau schrieb er 28 in Owen. Und doch, die Hochgestimmtheit aus den Ankunftstagen schwand. Ein poetischer Schaffensdrang brannte in ihm, er schrieb in Owen Weltliteratur, große Teile der Künstler-Novelle „Maler Nolten“, zwölf Gedichte, in denen er seine innige Verbundenheit mit der Landschaft zum Ausdruck brachte, wie das Gedicht „Auf der Teck“, geschrieben anlässlich eines Ausflugs auf die Burg Teck im Juli 1830.

Im Frühjahr 1830 geriet Mörikes Bruder Karl in Konflikt mit den Behörden und im Jahr darauf zu einem Jahr Haft auf dem Hohen Asperg verurteilt. In der Folge wurde Mörike sogar selbst vor das Kirchheimer Oberamtsgericht geladen. Das Konsistorium verlangte 1831 sogar, weitere Erkundigungen zum „Pfarrgehilfen Mörike in Owen“ einzuziehen. Solchermaßen bedrängt, versuchte Mörike zu entkommen. Es gelang ihm, eine dreimonatige Beurlaubung zu erwirken und begann im Mai eine Sauerbrunnenkur in Stuttgart. Als das Ende des Urlaubs nahte, bat er um die Zuweisung einer neuen Stelle und wurde Ende Juli nach Eltingen bei Leonberg abgeordnet. Luise begleitete ihn für ein paar Tage, bevor sie nach Grötzingen zurückkehrte. Es sollten in kurzen Abständen weitere Orte der „Vikariatsknechtschaft“ folgen, bevor er 1834 schließlich Pfarrer in Cleversulbach wurde.

Im Oktober 1833 dann die Katastrophe: die Auflösung der Verlobung mit Luise Rau. Die Ungewißheit der äußeren Existenz des „ewigen Vikars“ wie auch das mangelnde Verständnis für seine Dichtung hat wohl seitens Luises den Bruch des Verlöbnisses vorbestimmt, der dann im Herbst 1833 vollzogen wurde. Die wahre Ursache für den Bruch lässt sich jedoch nicht mehr rekonstruieren, keiner ihrer Briefe ist erhalten. Mörike selbst hat sich nicht über die näheren Umstände der Trennung geäußert.

Ganz von Owen verabschiedet hatte sich Mörike aber immer noch nicht. Im Februar 1834 bewarb er sich auf die offiziell ausgeschriebene Stelle in Owen und wurde schließlich für den 13. März 1834 nach Owen beschieden, wo er aber mit einem Tag Verspätung eintraf. Kaum angekommen, bewarb er sich nach Jesingen, wurde aber noch Ötlingen beordert und schickte von dort seine Bewerbung für die Pfarrei Cleversulzbach ab. Dieses Mal hat er Erfolg, nach fast achtjähriger Vikariatszeit wird er endlich zum ordentlich bediensteten Pfarrer ernannt und übernimmt am 3. Juli 1834 die Pfarrstelle in Cleversulzbach. Mit ihm kommen seine Schwester Klara und seine Mutter, auch sein Bruder Karl – aber keine Luise. Mörike ist endlich ordentlich bestallter Pfarrer, hat eine feste Stelle, aber keine Braut mehr. Viele Jahre später, Mörike ist mittlerweile Professor, Ehrendoktor und verheiratet, besucht er mit seiner Frau Margarethe noch einmal Owen und logiert 1863 vom 1. bis zum 11. Juli in der „Krone“. Er macht Spaziergänge nach Brucken, zur Sulzburg und nach Oberlenningen, hat bei jedem Ausgang irgend ein Gespräch mit einem älteren Mann oder Frau, was immer auf die alte Zeit zurückführt und wo die Leute sich seiner freuen, schreibt Margarethe an die daheimgebliebene Schwester Mörikes. Nur nach Ochsenwang kommt er nicht mehr hinauf, weil ihm der Weg zu beschwerlich ist.

Anmerkung: Mörike vergleicht seine Verlobte Luise Rau mit der Hl. Lucia von Syrakus. Was er nicht erwähnt: die Hl. Lucia wird mit einem Schwert, das ihren Hals durchbohrt, dargestellt. (➤ Lucia von Syrakus)

Quellen: Ute Harbusch: Eduard Mörike zwischen Alb und Neckar. Mit Photographien von Roland Bauer, Städtisches Museum Kirchheim unter Teck, 2004. – „Anblick meiner Stube in Owen“: Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum, Marbach a.N. (beareitet). – Die „Krone“ wurde nach der Einrichtung einer Poststation umbenannt in „Krone-Post“, nach 1875 heißt sie nur noch „Gasthof zur Post“ und wurde, nachdem sie den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte, 1995 abgerissen. Owener Geschichten aus früherer Zeit, zusammengetragen und vorgestellt von Fritz Nuffer. Herausgegeben vom „Alt Owen“-Förderkreis e.V., 2015, S. 52-79.