Grabplatte in der Marienkirche

Der Teckbote, 13.03.2019

Ulrich in der Marienkirche

Geschichte  Dank Umbauarbeiten in der Owener Kirche wurde eine Grabplatte aus dem 14. Jahrhundert entdeckt. Damit der darunter begrabene Kleinadlige nicht in Vergessenheit gerät, gibt es jetzt zwei Roll-ups.
Von Iris Häfner

Kaum entdeckt – und schon ist sie wieder im wahrsten Sinn des Wortes in der Versenkung verschwunden: die Grabplatte für den Ritter Ulrich Swelher von Wielandstein, teckischer Dienstmann. Damit der Adlige aber nicht erneut in Vergessenheit gerät, überreichte der Alt-Owen-Förderkreis der evangelischen Kirchengemeinde zwei große Roll-ups für die Marienkirche, die die neu gewonnenen Erkenntnisse aus der Zeit der Herzöge von Teck dokumentieren.

Völlig überraschend kam die Grabplatte aus dem 14. Jahrhundert bei der Umgestaltung des nördlichen Seitenschiffs der Owener Kirche im April vergangenen Jahres ans Tageslicht. Die Bänke wurden zugunsten von Stühlen entfernt. Deshalb musste der alte Unterbau samt darunterliegendem Schutt 20 Zentimeter tief entfernt werden, und neben alten Münzen kam eben jene beachtliche Grabplatte zum Vorschein. „Wir haben eine Menge Arbeit investiert“, sagte Rainer Laskows¬ki, Vorsitzender des Alt-Owen-Förderkreises, bei der Mitgliederversammlung. Dort stellte er in seiner Funktion als Leiter der Kirchheimer Archäologie-AG die Ergebnisse dieser Grabung vor. Beteiligt waren auch die Gruppe Fakt und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Referat Operative Archäologie.

Beim Einbau der Warmluftheizung gingen die Arbeiter einstens nicht zimperlich vor. Beton wurde auf den Stein gegossen, der nun so weit entfernt wurde, damit man die Schrift lesen kann. „Es gibt noch einen zweiten Schaden. Um die Kirchenbänke befestigen zu können, sollten Eisenstangen gesetzt werden. Als das wegen der Grabplatte nicht ging, wurde ein Betonklotz drumrumgegossen“, erläuterte Rainer Laskowski. Eine weitere Beschädigung ist älter. „An einer Stelle ist der Stein etwas schwach. Da sind Menschen drübergelaufen und haben den Stein beschädigt“, ist er sich sicher. Da die Grabplatte aus katholischer Zeit stammt, geht er davon aus, dass die Abnutzung mit dem Kommuniongang zu tun hat. Zum Pfarrer ging es durch den Mittelgang. „Man nimmt die Hostie und geht dann links oder rechts weg. Die Grabplatte lag links vom Mittelgang“, erläuterte Rainer Laskowski.

Ein Wappen wie auf dem gefundenen Stein fand er in Wachsform, und somit ist klar: Ursprünglich hatte das Schild drei Balken, beim genauen Hinsehen sind die Umrisse einer dritten Raute auch zu sehen. Der untere Teil des Steins fehlt, er wurde abgeschlagen – so fehlt an dieser Stelle die Umschrift, die in gotischen Minuskeln auf Latein verfasst ist und ursprünglich auf allen vier Seiten den Stein „umlief“: „Im Jahre des Herrn eintausend . . . verstarb Ulrich Swelher, verheiratet mit Margret von Diemantstein und Ann Hochschlitz.“ Was die Historiker besonders interessiert, das Todesjahr, fehlt deshalb. „Es muss nach 1367 gewesen sein, denn das ist die letzte urkundliche Nennung. Er ist entweder gestorben oder eine spätere Urkunde ging verloren“, so Rainer Laskowski. Sicher ist jedoch, dass jener Ulrich Swelher von Wielandstein zum Schluss in Owen gelebt hat, eventuell im Schloss in der Teckstraße, das von den Schweden im 30-jährigen Krieg zerstört wurde. „Der Stein hat einige Besonderheiten. Unter dem großen Rautenwappen befinden sich zwei kleine: die seiner beiden Ehefrauen“, erklärte der Archäologe. Eine davon war Anna von Hochschlitz. Sie stammte aus Pfauhausen, dem heutigen Wernau.

Das Extravagante am Wappen des Ritters Ulrich ist die außergewöhnliche Helmzier, die einen an Wikinger-Helme denken lässt. Dabei handelt es sich um zwei Büffelhörner. „Das sind Giffhörner, also Jagdhörner. Das sind Signalhörner, mit denen man bei der Jagd ,Sau tot‘ oder ,Aufbruch zur Jagd‘ bekannt gibt – und keine Musikinstrumente“, erläuterte der Archäologe. Auffällig sind zudem zwei kleine Hubbel, die die Fachleute aus der Manossehandschrift – um 1300 in Zürich entstanden – kennen. Der berühmte Minnesänger Gottfried von Neifen ist darin festgehalten, ebenso sein Wappen, das drei Hörner mit Schnüren zieren. „Die Hubbel sind die Halterung am Horn für die Schnüre, sodass man sich die Hörner um den Hals legen und an die Wand hängen konnte“, so Rainer Laskowski. Der Topfhelm ist im Profil zu sehen, klar zu erkennen ist der Sehschlitz. „Wir können die Geschichte von Owen neu schreiben und interessanter machen. Es ist das wohl auch älteste Grabdenkmal dieser Zeit und Art aus dieser Zeit und Art aus der Region“, so sein Fazit.

Quelle: Der Teckbote vom 13.03.2019, mit freundlicher Erlaubnis.
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Traude Carrle, Vorsitzende des Owener Kirchengemeinderats, und Rainer Laskowski bei der Übergabe der Roll-ups. Foto: Carsten Riedl

Der Kirchenraum

„Diese Roll-ups sind was Neues. Zu verdanken haben wir die Idee meinem langjährigen Mitarbeiter bei der Archäologie-AG, Günther Frey“, erklärte Rainer Laskowski bei der Übergabe anlässlich der Hauptversammlung des Alt-Owen-Förderkreises in der Bernhardskapelle.

„Kirchenraum und Geschichte, das ist ein bisschen problematisch. Die Kirchenmitglieder sehen ihre Kirche als Gotteshaus und weniger als Haus der Geschichte. Aber es führt kein Weg dran vorbei: Hier wurde und wird Geschichte geschrieben – und letztendlich ist es ein Glaubens- bekenntnis und ein Zeichen, wenn man sich einst in der Kirche bestatten ließ“, sagte Rainer Laskowski. Ihm ist bewusst, dass nicht alle Owener glücklich über den Fund sind. Zu seinem Bedauern musste die Platte aus konservatorischen Gründen wieder unter dem Boden verschwinden. Über den Kompromiss mit den flexiblen Roll-Ups ist er froh: „So können wir die Grabplatte und den geschichtlichen Zusammenhang zeigen.“ Ganz an die Originalgröße kommt das Gebilde nicht ran: Der Stein ist 20 Zentimeter breiter und 60 Zentimeter höher.